Liebe Leser:innen!

Chemikalien sind ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Lebens. Sie sind in Konsumgütern enthalten, werden in Industrieprozessen, in der Landwirtschaft als Pestizide oder in der Human- und Tiermedizin eingesetzt. Einige dieser Verbindungen sind schwer abbaubar, giftig, bioakkumulativ und können, wenn sie in die Umwelt gelangen, das Leben im Wasser und den sicheren Verzehr von Fischen und Trinkwasser gefährden. In der Wasserwirtschaft werden diese Chemikalien Spurenstoffe genannt und zu den „emerging contaminants“ gezählt. Die nationalen Gesetzgebungen stehen diesbezüglich vor großen Herausforderungen, da viele der wasserwirtschaftsbezogenen EU-Gesetzgebungen im Einklang mit dem Green Deal der EU und den damit verbundenen Strategien wie der Farm-to-Fork-Strategie, der Biodiversitätsstrategie und dem Zero Pollution Action Plan überarbeitet werden müssen. Aufgrund von ambitionierten Zielen für die Umwelt und das Klima wird der Revisionsprozess wahrscheinlich große Aufgaben für die Wasserwirtschaft mit sich bringen, indem er die Anforderungen verschärft und/oder den Anwendungsbereich zahlreicher wasserbezogener Vorschriften für die Behandlung von kommunalem Abwasser, die Umsetzung von Industrietechnologien, den integrierten Pflanzenschutz, andere landwirtschaftliche Maßnahmen sowie das Monitoring und die Anforderungen für das Erreichen eines guten chemischen Zustands der Gewässer erweitert.

Um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein, muss ein evidenzbasierter Gewässerschutz auf den drei Grundelementen der Wasserpolitik aufbauen: Monitoring, Modellierung und Management. Das Monitoring liefert die empirische Grundlage, indem es raum- und zeitabhängige Informationen über Stoffkonzentrationen und -frachten sowie weitere Grundlagen für die Bewertung von Wasserqualitätstrends und des Wasserqualitätszustands ermittelt sowie die notwendigen Informationen für die Kalibrierung und Validierung von Modellen bereitstellt. Die Modellierung erfordert ein angemessenes Systemverständnis und hilft bei der Ableitung von Informationen für Zeiten und Orte, an denen keine Überwachung erfolgt oder möglich ist. Mögliche Anwendungen sind die Risikobewertung für die Überschreitung von Qualitätsnormen, die Bewertung der regionalisierten Relevanz von Emissionsquellen und -pfaden, die Ermittlung der Wirksamkeit von Maßnahmen, Maßnahmenbündeln oder Politiken sowie die Bewertung künftiger Entwicklungen in Form von Szenarien oder Prognosen. Das Management stützt sich auf diese Informationen und setzt sie in einem sozioökonomischen Kontext in spezifische Pläne und Rechtsnormen für die Umsetzung von technischen oder organisatorischen Maßnahmen um. Die Bewertung des Erfolgs von Bewirtschaftungsplänen umfasst wiederum genau definierte Überwachungsstrategien.

Der Themenschwerpunt dieses ÖWAW-Heftes greift mit dem Titel „Spurenstoffe: Monitoring, Modellierung und Management“ diesen Anspruch auf und liefert eine Auswahl von Beiträgen, die unterschiedliche Aspekte dieses Spannungsbogens beleuchten und einen Überblick über wichtige aktuelle Vorhaben in Österreich geben. Den Titel des „Schadstoffs des Jahres“ haben sich heuer, aber auch schon in den Jahren davor, wohl die Per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) verdient – eine große Gruppe von Chemikalien, die zum einen aufgrund nützlicher Eigenschaften in den unterschiedlichsten Bereichen Einsatz finden, zum anderen aufgrund ihrer extrem hohen Umweltpersistenz auch „Forever Chemicals“ genannt werden, zudem vielfach toxisch, mobil und bioakkumulierend sind und daher im Bereich des Umweltschutzes und der Wasserwirtschaft eine hohe Aufmerksamkeit bis hin zur Besorgnis erregen.

Gleich vier Beiträge des Themenschwerpunkts beschäftigen sich ausschließlich mit den PFAS. Bei allen vieren steht dabei das Monitoring im Vordergrund, da in einem ersten Schritt die empirischen Grundlagen über das Vorkommen unterschiedlicher Stoffe und potenziell relevante Herkunftsbereiche gesammelt werden müssen. Humer und Scheffknecht geben einen Überblick über das Vorkommen einer Vielzahl von PFAS in unterschiedlichen Umweltmedien in Vorarlberg. Brielmann et al. fokussieren auf die Grundwasserbelastung in Österreich und auf die Rolle, die spezifische PFAS-Altlasten in diesem Kontext spielen können. Liu et al. behandeln die Belastung der oberen Donau mit PFAS und die Identifikation möglicher Herkunftsbereiche, während Obeid et al. sich mit dem Verhalten der PFAS aus der Donau bei der Uferfiltration beschäftigen, wenn Donauwasser aus dem Grundwasserbegleitstrom entnommen wird. Emissionsmodellierung für Spurenstoffe ist der Schwerpunkt des Beitrages von Broer et al. Hier werden die Erfahrungen bei der Identifikation von Eintragspfaden für Spurenstoffe am Bespiel von 7 Einzugsgebieten im Donaueinzugsgebiet diskutiert. Auch PFAS sind hier ein Thema, allerdings nur die beiden „alten“ Stoffe PFOS und PFOA. Rechtliche Aspekte des Managements von Spurenstoffen werden bei Clara und Müller-Rechberger behandelt. Die beiden stellen Vorschläge der Europäischen Kommission zur Aktualisierung der Umweltqualitätsnormenrichtlinie und der kommunalen Abwasserrichtlinie vor. Technische Möglichkeiten zur Elimination von Spurenstoffen aus dem Abwasser über eine 4. Reinigungsstufe als grundlegende Maßnahme eines Spurenstoffmanagements werden bei Schaar et al. verglichen. Gerade für PFAS sind diesbezüglich allerdings Wissen und Möglichkeiten derzeit noch begrenzt. Zoboli et al. spannen den Bogen ihres Beitrages über den gesamten Zusammenhang von Monitoring, Modellierung und Management von Spurenstoffen und stellen Untersuchungen vor, die sich mit dieser Frage im gesamten Donaueinzugsgebiet auseinandersetzen.

Nun, da die Beiträge zum Themenschwerpunkt dieser ÖWAW-Ausgabe vorliegen, kann jedenfalls festgestellt werden, dass die Zusammenstellung eine erfreuliche und erhellende Arbeit war. Unterschiedliche Gruppen aus dem Fachgebiet konnten mit ihrer Expertise viel Wichtiges beitragen. Es bleibt zu hoffen, dass auch für Sie als Leser:innen der ÖWAW viel Interessantes und Erhellendes dabei ist und Sie dieses Heft gerne zur Hand nehmen, um darin zu lesen oder um nachzuschlagen, wenn sie über Fragestellungen stolpern, die hier behandelt werden. Darüber hinaus bleibt aber auch die Erkenntnis, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Spurenstoffe in der Wasserwirtschaft noch am Beginn steht und große Herausforderungen im Zusammenspiel von Chemikalieneinsatz und Gewässerbelastung auf Fachwelt und Gesellschaft zukommen, die nur mit hohem fachlichen Verständnis und einer Verbindlichkeit, auch das Wohl zukünftiger Generation zu beachten, gemeistert werden können. Ach ja, was sagt eigentlich Bob Dylan dazu? „he (or she) not busy being born is busy dying“. Also: „er:sie nicht bereit für einen ernsthaften Neuanfang, geht an der eigenen Geschäftigkeit zugrunde“ – oder so.