Noch immer wird die aktive Überwachung beim Prostatakarzinom hinsichtlich ihrer Sicherheit kontrovers gesehen. Aktuelle Daten zeigen: Das rezidivfreie Überleben ist nicht beeinträchtigt, wenn eine OP verzögert erfolgt.

Die aktive Überwachung ist gemäß aktueller Leitlinien Teil der Standardbehandlung von Männern mit Prostatakarzinom (PCA) und Niedrigrisiko-Tumor. Immer wieder steht dieser Ansatz in der Kritik, da Patienten mit höherem Risiko falsch eingestuft werden und dadurch nicht rechtzeitig eine radikale Prostatektomie (RP) oder Bestrahlung erhalten könnten. Eine Arbeitsgruppe aus den USA konnte bereits im Jahr 2015 widerlegen, dass eine verspätete OP das Risiko für eine ungünstige Pathologie bei Patienten in Gradgruppe (GG) 2 (Gleason-Score 3 + 4) erhöht. In ihrer aktuellen Untersuchung bestätigten sie dies an der bisher größten Patientenkohorte und berücksichtigten dabei auch aktuelle Diagnostikmöglichkeiten wie die multiparametrische Magnetresonanztomografie (mpMRT) und Genomtests.

Teilgenommen hatten 1.259 Männer (medianes Alter: 62 Jahre) mit einem Niedrigrisiko-Tumor (cT1-2 N0/x M0/x, GG 1-2) und einem PSA-Wert unter 20 ng/ml. 979 Männer (77,8 %) wurden aufgrund der Einstufung in GG 2 direkt operiert, 190 (15,1 %) innerhalb eines Jahres nach Upgrade auf GG 2 und 90 (7,1 %) erst zu einem noch späteren Zeitpunkt. Vor der RP nahmen die letzten zwei Gruppen allerdings durchgehend an der aktiven Überwachung teil. Als primäres Outcome galt das rezidivfreie Überleben nach der OP, gemessen bis zu einem biochemischen Rezidiv oder einer zweiten Behandlung aufgrund eines PSA-Anstiegs in einer medianen Nachbeobachtungszeit von 59 Monaten.

Die Rate des rezidivfreien 5-Jahres-Überlebens betrug 81 % für Männer, die direkt eine RP erhalten hatten. Bei einer OP innerhalb von zwölf Monaten lag die Rate bei 80 %; in der Patientengruppe, die erst nach diesem Zeitraum behandelt worden war, lag sie bei 70 %. Während sich die drei Gruppen im Log-Rank-Test noch statistisch signifikant unterschieden (p = 0,03), konnten in der multivariablen Cox-Regressionsanalyse keine überzufälligen Unterschiede für den Zeitpunkt der OP festgestellt werden (p = 0,96 bzw. 0,06).

Sowohl der Anteil der positiven Biopsiestanzen als auch die Höhe des PSA-Werts vor der RP waren statistisch signifikant mit einem erhöhten Rezidivrisiko verbunden (Hazard Ratio [HR] 1,08 bzw. 1,06; p = 0,01 bzw. < 0,01). Dies ist jedoch nicht überraschend, da beide Variablen bereits in gängigen Schemata zur Risikostratifizierung berücksichtigt werden. Im Gegensatz dazu beeinflussten andere Parameter wie positive Läsionen im mpMRT, die PSA-Dichte oder auffällige Genomtests das Rezidivrisiko nicht statistisch signifikant.

Fazit: Eine verzögerte RP bei Niedrigrisiko-PCA und aktiver Überwachung scheint sicher, da sie nicht früher zu Rezidiven führt als eine OP direkt nach der Diagnose. Jedoch war die Patientenkohorte recht homogen und stammte nur aus einem einzigen Zentrum. Dadurch sind die Ergebnisse möglicherweise nur eingeschränkt auf andere Behandlungssettings übertragbar.

Shee K et al. The Impact of Delayed Radical Prostatectomy on Recurrence Outcomes After Initial Active Surveillance: Results from a Large Institutional Cohort. Eur Urol Oncol 2023; https://doi.org/mcvg