„Oft ist das Schöne das Funkeln des Wahren“. Zum Verhältnis von Literatur und Philosophie bei Michel Serres

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Topik der Theorie

Part of the book series: LiLi: Studien zu Literaturwissenschaft und Linguistik ((LiLi,volume 6))

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Zusammenfassung

Der Beitrag verfolgt die historische Interdependenz von Literatur und Philosophie, die nicht nur immer wieder zu einer epistemischen Reflexion beider Bereiche in ihrem Verhältnis zum jeweils anderen geführt hat, sondern auch zur Etablierung des Topos, der ihre Verwandtschaft benennt. Ausgehend von der in der Frühromantik – namentlich bei Friedrich Schlegel – programmatischen Verschmelzung von Philosophie und Literatur und mit Verweis auf weitere historische Parallelen, wird eine Affinität dieser Konstellation mit dem Denken vor allem von Michel Serres erkannt. Die Überschreitung der Grenze zwischen den nur scheinbar so unterschiedlichen Diskursen von Natur- und Geisteswissenschaften führt in Serres’ Schriften zu ungewöhnlichen sprachlichen und medialen Formen, in denen sich Hetero- und Paradoxien artikulieren und die der als – positiv konnotierter – ‚Parasit‘ erscheinenden Literatur entlehnt sind.

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Notes

  1. 1.

    Michel Serres: Aufklärungen. Fünf Gespräche mit Bruno Latour. Übers. von Gustav Roßler. Berlin 2008, S. 42. Im Folgenden unter der Sigle AFG mit Seitenzahl direkt im Fließtext angegeben.

  2. 2.

    Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey. Studienausgabe. Hg. von Herbert Jaumann. Ditzingen 2017, S. 15.

  3. 3.

    Die historische Tiefe des intrikaten Verhältnisses von Literatur, Philosophie und Wissenschaft erfasst der Philosoph Gottfried Gabriel besonders pointiert: „Wir haben anzuerkennen, daß nicht nur Wissenschaft, sondern auch Kunst Erkenntnis vermittelt, und die Philosophie steht von Anbeginn zwischen beiden.“ Gottfried Gabriel: „Literarische Form und nicht-propositionale Erkenntnis in der Philosophie“. In: ders./Christiane Schildknecht (Hg.): Literarische Formen der Philosophie. Stuttgart 1990, S. 1–25, hier S. 25. Das Interesse für den Theorietopos des Wechselverhältnisses von Literatur und Philosophie zeigt sich unterdes nicht zuletzt in zahlreichen Publikationen zum Thema, von denen hier einige einschlägige aufgeführt seien: Der erwähnte, von Gabriel und Christiane Schildknecht herausgegebene Band lotet aus, wie die Stellung der Philosophie zwischen Wissenschaft und Dichtung in vielfältigen Formen zum Ausdruck kommt. Der ebenfalls von Schildknecht – zusammen mit Dieter Teichert – publizierte Sammelband Philosophie in Literatur (1995) untersucht, inwiefern sich Philosophie in Auseinandersetzung mit der Dichtung konstruiert und fokussiert die immer wiederkehrenden Versuche einer Kontrastierung von Philosophie und Literatur. Die Herausgeber verweisen auf die Disjunktions- und Komplementaritätsthese, also das – als topisch zu bezeichnende – Interesse seitens der Philosophie, „eine klare Trennung von der Dichtung durchzusetzen“ einerseits, das sich genauso hartnäckig hält wie andererseits der Topos der „Vielfalt der Beziehungsmuster[…]“ zwischen beiden. Christiane Schildknecht/Dieter Teichert: „Einleitung“. In: dies.: Philosophie in Literatur. Frankfurt a. M. 22016, S. 11–18, hier S. 11. Die von Tilmann Köppe 2011 besorgte Publikation Literatur und Wissen. Theoretisch-methodische Zugänge bietet einen Überblick über das komplexe Forschungsfeld von Literatur und Wissen und verhandelt dabei zusammen mit der generellen Problematik textueller Repräsentation von Wissen verschiedene Aspekte des Verhältnisses von Literatur und Philosophie. Vgl. zudem für einen umfassenden Überblick der philosophisch-literarischen Wechselbeziehungen Hans Feger (Hg.): Handbuch Philosophie und Literatur. Stuttgart/Weimar 2012. Insbesondere die Einleitung (S. 1–9) bietet eine informative Übersicht über die historische Entwicklung der verschiedenen Konzeptionen des korrelativen Verhältnisses von Philosophie und Literatur und die Formen ihrer Wissens- und Erkenntnisvermittlung. Michel Serres’ Werk findet in diesem Handbuch keine Berücksichtigung.

  4. 4.

    Albert Meier: Klassik – Romantik. Stuttgart 2008, S. 75.

  5. 5.

    Intertextualität soll im Folgenden nicht im Sinne von bewusster oder intendierter Intertextualität verstanden werden, sondern als Systemreferenz, als „Texten zugrundeliegende Muster und Codes“. (Manfred Pfister: „Konzepte der Intertextualität.“ In: Ulrich Broich/Ders. (Hg.): Intertextualität: Formen, Funktionen. Tübingen 1985, S. 1–31, hier: S. 17) Es geht darum, Überschneidungen methodischer Traditionen und spezifischer Verfahren sowie allgemeine Muster von Textualität auszuloten.

  6. 6.

    Vgl. Torsten Hahn: Fluchtlinien des Politischen. Das Ende des Staates bei Alfred Döblin. Köln/Weimar/Wien 2003, S. 19.

  7. 7.

    Wolfgang Iser: Das Literaturverständnis zwischen Geschichte und Zukunft. Sankt Gallen 1981, S. 20.

  8. 8.

    Vgl. zum Begriff der Beobachtung zweiter Ordnung das Kapitel „Die Beobachtung erster und die Beobachtung zweiter Ordnung“ in Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1997, S. 92–164.

  9. 9.

    Friedrich Kittler: Philosophien der Literatur. Berliner Vorlesung 2002. Berlin 2013, S. 29.

  10. 10.

    Vgl. ebd., S. 27.

  11. 11.

    Ebd., S. 14.

  12. 12.

    Ebd.

  13. 13.

    Friedrich Schlegel: Charakteristiken und Kritiken I (1796–1801). Kritische Friedrich Schlegel-Ausgabe, Abt. 1: Charakteristiken und Kritiken. Hg. und eingeleitet von Ernst Behler, München 1958ff., Bd.2, S.149. Eine zeitgenössische Spielart im Repertoire literarisch-philosophischer Formen beschreibt Philipp Felsch in Der lange Sommer der Theorie: „Aus den USA, wo die Franzosen in den achtziger Jahren eine Generation von College-Studenten prägten, erreicht uns das Genre des Theorieromans. Ist nach der Theoretisierung der Erzählung die Erzählung der Theorie zum neuen Trend geworden? Kann es sein, dass Theorie als Gegenstand von Literatur gegenwärtig interessanter ist denn als ihr Analyseinstrument?“ Philipp Felsch: Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte 1960–1990. München 2015, S. 239. In der deutschen Literaturlandschaft lassen sich zweifelsohne insbesondere die Romane Thomas Meineckes als ‚Theorieromane‘ bezeichnen.

  14. 14.

    Manfred Frank: Einführung in die frühromantische Ästhetik. Vorlesungen. Frankfurt a. M. 1989, S. 360.

  15. 15.

    Friedrich Schlegel: Wissenschaft der europäischen Literatur. Vorlesungen, Aufsätze und Fragmente aus der Zeit von 1795–1804. Kritische Friedrich Schlegel-Ausgabe, Abt. 2: Schriften aus dem Nachlass. Hg. und eingeleitet von Ernst Behler, München 1958ff., Bd.11, S.10.

  16. 16.

    Frank: Einführung, S. 360.

  17. 17.

    Friedrich Schlegel: Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 – Ende August 1799). Kritische Friedrich Schlegel-Ausgabe, Abt. 3: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Hg. und eingeleitet von Ernst Behler, München 1958ff., Bd.24, S.154.

  18. 18.

    Gerhard Neumann sieht gerade in der „entschiedene[n] Begrifflichkeit“ Schlegels den Grund für seine Unverständlichkeit: „Nirgends wird so scharf und so unermüdlich definiert, differenziert, abgehoben und entgegengesetzt: Nichtsdestoweniger scheinen alle diese logischen Operationen nur darauf angelegt, das Verstehen zu erschweren, jede Fixierung des Gedankens zu verhindern, geläufige Denkbahnen zu vernebeln.“ Gerhard Neumann: Ideenparadiese. Untersuchungen zu Aphoristik von Lichtenberg, Novalis, Friedrich Schlegel und Goethe. München 1976, S. 417f. Zu Schlegels Aufsatz Über die Unverständlichkeit allgemein vgl. ebd., S. 438f.; 473.

  19. 19.

    Friedrich Schlegel: Philosophie des Plato. In: ders.: Schriften zur Kritischen Philosophie 1795–1805. Hg. von Andreas Arndt/Jure Zovko. Hamburg 2007, S. 201–224, hier: S. 209f.

  20. 20.

    Ebd., S. 210. Dass ausgerechnet Platon hier für die enge Verbindung von Literatur und Philosophie einstehen soll, verwundert auf den ersten Blick, hatte Platon doch die Dichter bekanntermaßen aus seinem idealen Staat ausgeschlossen. Dass seine Position der Literatur gegenüber jedoch nicht so eindeutig ist, wie häufig angenommen wird, erläutert Ulrich Gaier: „Ein eklatanter Widerspruch in den Schriften Platons (427–347 v. Chr.) hat schon antike Autoren beschäftigt: Der Philosoph verbannt die Dichter aus dem Idealstaat, tut dies aber in einer Schrift, die er selbst im Phaidros als literarisches Spielwerk betrachtet und die mit seinen übrigen Dialogen von Aristoteles bis hin zu den Neuplatonikern Plotin und Proklos als Dichtung angesehen wird. Unmissverständlich bezeichnet Aristoteles das sokratische Gespräch als Dichtkunst, die durch ihre Dialogprosa mit dem dramatischen Mimus verwandt sei; Marsilio Ficino berichtet, die vier nachplatonischen Akademien vor Plotin und Proklos seien übereinstimmend der Meinung gewesen, Platons Schriften seien gänzlich poetisch, Differenzen habe es nur hinsichtlich der Auslegung gegeben. Platon ist ein so guter und erfolgreicher Dichter, argumentiert Proklos, dass man ihn zusammen mit Homer aus seinem eigenen Idealstaat vertreiben müsste.“ Gaier führt weiter aus, „dass Dichtung für ihn [Platon, C.J.] nicht nur ein wiederkehrendes Problem war, sondern aufs engste mit Ursprung, Ziel und Darstellung seiner Philosophie verbunden ist.“ Ulrich Gaier: Wozu braucht der Mensch Dichtung? Anthropologie und Poetik von Platon bis Musil. Stuttgart 2017, S. 19.

  21. 21.

    Georg W. F. Hegel: „Vorlesungen über die Ästhetik I“. In: ders.: Werke, Bd. XIII. Hg. von Eva Moldenhauer/Karl M. Michel. Frankfurt a. M. 51996, S. 243.

  22. 22.

    Ebd., S. 141, S. 24.

  23. 23.

    Ebd., S. 28.

  24. 24.

    Ebd., S. 116, Herv. C.J.

  25. 25.

    Vgl. Dieter Henrich: „Kunst und Kunstphilosophie der Gegenwart (Überlegungen mit Rückgriff auf Hegel).“ In: Wolfgang Iser (Hg.): Immanente Ästhetik – ästhetische Reflexion (Poetik und Hermeneutik II). München 1966, S. 11–32, hier: S. 13–17.

  26. 26.

    Martin Heidegger: „Brief über den ‚Humanismus‘. Brief an Jean Beaufret, Paris“. In: ders.: Platons Lehre von der Wahrheit Mit einem Brief über den „Humanismus“. Bern 1954, S. 53–117, hier: S. 53, Hervorhebung C.J.

  27. 27.

    Arnold Gehlen: „Über kulturelle Kristallisation.“ In: Wolfgang Welsch (Hg.): Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion. 2., durchgesehene Auflage, Berlin 1994, S. 133–144, hier: S. 140.

  28. 28.

    Ebd., S. 140.

  29. 29.

    Der wissenschaftliche Werdegang des im Sommer 2019 verstorbenen französischen Philosophen Michel Serres war ungewöhnlich und geprägt von einer radikalen Ablehnung des intellektuellen Milieus der Nachkriegszeit: 1930 im Südwesten Frankreichs als Sohn eines Binnenschiffers in der Gascogne geboren, studierte er Mathematik, klassische Literaturwissenschaft und Philosophie an der renommierten École normale supérieure, besuchte die elitäre französische Marineakademie und fuhr mehr als zehn Jahre zur See, hatte eine Professur für Wissenschaftsgeschichte in Paris und an der Stanford University in Kalifornien inne, war Mitglied der berühmten Académie française. Serres verstand sich als „ein gebranntes Kind der historischen Ereignisse, und später dann der intellektuellen Atmosphäre“, einer von ‚marxistischem Terror‘ geprägten Universitätslandschaft, die ihn einerseits vereinsamen ließ, andererseits zu einer produktiven Ungestörtheit bei der Arbeit führte; er „habe Wissenschaftsgeschichte und Epistemologie zunächst betrieben, um meine Ruhe zu haben; diese Disziplinen dienten mir als Schutz gegen den politischen Terror.“ (AFG 13).

  30. 30.

    Serres betont 2007 in einem Radiobeitrag des SWR 2, dass er es liebt, „über den enzyklopädischen Ozean“ zu fahren. Zit. nach Kathrin Hondl: „Der Brückenbauer. Michel Serres als öffentlicher Intellektueller.“ In: Reinhold Clausjürgens/Kurt Röttgers (Hg.): Michel Serres. Das vielfältige Denken. Oder: Das Vielfältige denken. Paderborn 2020, S. 27–36, hier: S. 27.

  31. 31.

    Serres hebt dabei immer wieder die Traditionslinie hervor, in der seine Methode steht. Auf die Frage Latours, woher er „diesen Zug [habe]? Er ist ihr [sic] Kennzeichen. Diese Idiosynkrasie scheint mir nicht sehr französisch zu sein?“, antwortet Serres: „Ich bitte Sie. Wo doch Platon schon nicht die Ammengeschichten verabscheut, noch die Mythen oder die Literatur; und Montaigne, Pascal, Leibniz – der meist in französischer Sprache schreibt – und Diderot zögern niemals angesichts dieser gleichzeitig klaren und dunklen Inhalte.“ (AFG 42) Und an anderer Stelle verweist er darauf, dass seine Vorgehensweise eher die Regel denn die Ausnahme sei: „Es gibt im Übrigen viele Autoren, die dieselbe Verbindung praktizieren. Platon hat keine Angst, die Probleme der Geometrie und Zitate von Pindar zu mischen, Aristoteles behandelt Medizin und Rhetorik, Lukrez singt das Lob der Physik in Versen, Leibniz, Pascal, obgleich Analytiker, sind vollkommene Schriftsteller. Zola bringt die Genetik in Romanform, Balzac, La Fontaine, Jules Verne… Welcher Autor hat es nicht so gemacht?“ (AFG 48).

  32. 32.

    Im Gegensatz zu seinem Gesprächspartner Bruno Latour und anderen als postmodern identifizierten Denkern, bei denen eine ähnliche Vorgehensweise zum Vorwurf führt, nicht nur dummes Zeug zu schreiben, sondern dieses eben auch noch auf ‚elegante‘ Art und Weise zu tun, wird Michel Serres aus der Kritik der Physiker Alan Sokal und Jean Bricmont in ihrer polemischen Kritik ‚postmoderner Intellektueller‘ explizit ausgenommen: „By contrast, the work of Serres is replete with more-or-less poetic allusions to science and its history; but his assertions, though extremely vague, are in general neither completely meaningless nor completely false, and so we have not discussed them here in detail.“ Jean Brichmont/Alan Sokal: Fashionable Nonsense: Postmodern Intellectuals’ Abuse of Science. New York 1999, S. 8.

  33. 33.

    Philipp Felsch: Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte 1960–1990. München 2015, S. 239.

  34. 34.

    Ein forcierter Dialog zwischen beiden Wissensfeldern ist notwendig, so Serres’ Diagnose, da die Form von Bildung, die ihm vorschwebt, dem Untergang geweiht ist – diese Erfahrung hat er an der École normale supérieure gemacht, und zwar obwohl sich gerade diese die Vermischung der zwei Kulturen auf die Fahnen geschrieben hat. Serres’ Fazit lautet dagegen: „Die Experten [Naturwissenschaftler, C.J.] waren ungebildet, die Gebildeten [Geisteswissenschaftler, C.J.] unwissend.“ (AFG, 46).

  35. 35.

    Dies ist auch darum notwendig, weil Serres die Gefahr einer vollständigen Marginalisierung und Trivialisierung von Literatur heraufziehen sieht: „Literature, in its broadest sense, has become the legacy of the poor, in a new sense. Science is on the side of power, on the side of effectiveness; it has and will have more and more credit, more intellectual and social legitimacy, and the best positions in government; it will attract strong minds – strong in reason and ambition; it will take up space. Science has chased away, is chasing away, and will chase away what it calls idle talk, until it has cleaned up the place where it alone reigns and will reign. The poets will be driven from town, reduced to recounting, after dinner, a few poorly-conceived stories to a population overwhelmed by serious work based on science. Literature will be the legacy of the debilitated, emptied of all power.“ Michel Serres: „Literature and the Exact Sciences.“ In: SubStance 18/2 (1989), S. 3–34, hier: S. 4.

  36. 36.

    Michel Serres: Der Parasit. Frankfurt a. M. 1987, S. 18. Im Folgenden unter der Sigle P und Seitenzahl direkt im Fließtext angegeben.

  37. 37.

    Auch die vom Parasiten erzeugte neue Ordnung ist nicht gegen Störungen gefeit. Jederzeit kann sie durch neue Parasiten besetzt und verändert werden: „Die Evolution bringt den Parasiten hervor, der wiederum die Evolution hervorbringt“ (P 282).

  38. 38.

    Auf die Untrennbarkeit der Disziplinen verweist Serres im Gespräch mit Geneviève James. Vgl. Geneviève James/Michel Serres: „Entretien avec Michel Serres.“ In: The French Review, 60/6 (1987), S. 788–796, hier: S. 793.

  39. 39.

    Serres formuliert dieses Ziel mit Verweis auf das griechische Wort poiein. Vgl. James/Serres: „Entretien“, S. 790.

  40. 40.

    Im Gespräch mit Geneviève James präzisiert Serres: „C’est comme si on faisait la différence chez un écrivain entre sa syntaxe et son style. Ils sont inséparables l’un de l’autre: la logique est inséparable du style.“ Ebd., S. 793. [Es ist, als ob man zwischen der Syntax eines Schriftstellers und seinem Stil unterscheiden würde. Sie sind untrennbar miteinander verbunden: die Logik ist untrennbar mit Stil verbunden. Übers. der Verf.]

  41. 41.

    Literatur kann „prophetisch“ (AFG 149) sein, „eine gut erzählte Geschichte“ so Serres, kann „ebensoviel Philosophie […] enthalten wie eine Philosophie, die man in diesem fachsprachlichen Aufwand ausdrückt.“ (AFG 41) Er erläutert seine Position u. a. am Beispiel des Werks Maupassants. Vgl. James/Serres: „Entretien“, S. 793.

  42. 42.

    Die konzeptionelle Fragestellung im Parasiten lautet: „Wie arrangieren sich die Parasitologie, die Informationstheorie und die Literatur sowie die Ethnologie der Tischsitten miteinander?“ (AFG 222) An dieser Synthese verschiedenster Felder und theoretischer/künstlerischer Praktiken lässt sich erkennen, dass Versuche der Einordnung problematisch werden. „Für ein Theoriebuch zu poetisch, für einen literarischen Randgang zu definitionsorientiert, für ein mathematisch-logisches Experiment zu politisch, für ein wissenschaftspolitisches Lehrstück zu leidenschaftlich und zu existentiell“, konstatiert Petra Gehring (Petra Gehring: „Der Parasit: Figurenfülle und strenge Permutation.“ In: Eva Eßlinger u. a. (Hg.): Die Figur des Dritten. Ein kulturwissenschaftliches Paradigma. Berlin 2010, S. 180–192, hier: S. 181). Der Parasit, in dem, so lässt sich dem Inhaltsverzeichnis entnehmen, „Logiken“, „Technik, Arbeit“, „Ökonomie“ und „Gesellschaft“ über verschiedene „Mahlzeiten“ verbunden werden, ist – konsequenterweise – ein Hybrid. Den so unerwarteten wie unkonventionellen Ort der Philosophie bilden hier vor allem die Fabeln La Fontaines, die die Wahrheit des Parasiten und der Störung entbergen.

  43. 43.

    Michel Serres: „Lachen: Die zerstreuten Juwelen oder die unversehrte Sängerin“. In: Ders.: Hermes II. Interferenz. Hg. von Günther Rösch. Berlin 1992, S. 309–332, hier: S. 309f. Im Folgenden unter der Sigle L mit Seitenzahl direkt im Fließtext angegeben.

  44. 44.

    Vgl. Michael Cuntz: „Die Ketten der Sängerin. Zu Hergés Bijoux de la Castafiore.“ In: Tristan Thielmann/Erhard Schüttpelz: Akteur-Medien-Theorie. Bielefeld 2013, S. 691–739, hier: S. 695.

  45. 45.

    Vgl. Hergé: Tim und Struppi: Die Juwelen der Sängerin, Hamburg 1999. Vgl. zum Telefon S. 15, zu Telefon und Papagei S. 21, zum Fernsehen S. 50–52, zu den Musikern S. 31f. sowie zur Treppe S. 7; 64. Kommunikation versteht Serres hier im Sinne des 19. Jahrhunderts als Transport von sowohl Information als auch Gütern/Menschen, wobei hier vor allem die Treppe ein zentrales Element der (gescheiterten) Kommunikation darstellt.

  46. 46.

    Besonders in der deutschen Übersetzung werden die vielfältigen semantischen Assoziationen deutlich, wenn der Übersetzer Günter Rösch die Mehrdeutigkeit von Serres’ Begriffen, die sich im Deutschen nicht ohne weiteres übertragen lässt, in einer Fußnote erläutert. Vgl. L 311, Fn. 2. Serres’ genaue Lektüre des Comics erscheint damit ebenso polyvalent wie Literatur selbst.

Literatur

  • Brichmont, Jean/Sokal, Alan: Fashionable Nonsense: Postmodern Intellectuals’ Abuse of Science. New York 1999.

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  • Cuntz, Michael: „Die Ketten der Sängerin. Zu Hergés Bijoux de la Castafiore.“ In: Tristan Thielmann/Erhard Schüttpelz: Akteur-Medien-Theorie. Bielefeld 2013, S. 691–739.

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  • Feger, Hans (Hg.): Handbuch Philosophie und Literatur. Stuttgart/Weimar 2012.

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  • Ders.: Aufklärungen. Fünf Gespräche mit Bruno Latour. Übers. von Gustav Roßler. Berlin 2008.

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  • Ders.: Der Parasit. Frankfurt a. M. 1987.

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Jaekel, C. (2023). „Oft ist das Schöne das Funkeln des Wahren“. Zum Verhältnis von Literatur und Philosophie bei Michel Serres. In: Eggers, M., Robanus, A. (eds) Topik der Theorie. LiLi: Studien zu Literaturwissenschaft und Linguistik, vol 6. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66813-9_6

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