FormalPara Koordinierende Leitautor_innen

Jürgen Essletzbichler, Xenia Miklin und Hans Volmary.

FormalPara Koordination der Strukturkapitel

Michael Ornetzeder

FormalPara Revieweditor

Michael Opielka

FormalPara Zitierhinweis

Essletzbichler, J., X. Miklin und H. Volmary (2023): Soziale und räumliche Ungleichheit. In: APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben (APCC SR Klimafreundliches Leben) [Görg, C., V. Madner, A. Muhar, A. Novy, A. Posch, K. W. Steininger und E. Aigner (Hrsg.)]. Springer Spektrum: Berlin/Heidelberg.

FormalPara Kernaussagen des Kapitels

Status quo

  • Die Auswirkungen von Umwelt- und Klimaschäden und von Mitigations- und Adaptionsmaßnahmen sind sozial und räumlich ungleich verteilt. (hohe Beweislage; hohe Übereinstimmung)

  • Die Verteilung von Löhnen, Einkommen, Vermögen oder dem Zugang zu sozial-ökologischer Infrastruktur beeinflusst die Möglichkeiten, klimafreundlich zu leben. (hohe Übereinstimmung, hohe Literaturbasis)

  • Ungleichheit kann zu Statuswettbewerb und erhöhtem Konsum und dadurch zu negativen Auswirkungen auf das Klima führen. (mittlere Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis)

  • Klimaschützende Maßnahmen, die bestimmte Bevölkerungsschichten stärker benachteiligen, können die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Maßnahmen reduzieren – vor allem in den betroffenen Bevölkerungsschichten. (mittlere Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis)

Notwendige Veränderungen/Bedingungen

  • In Österreich überschreitet selbst die einkommensschwächste Bevölkerungsgruppe die Emissionsgrenze zur Einhaltung der Pariser Klimaziele. Steuern und Geldtransfers allein reichen daher nicht aus, um klimafreundliche Lebensweisen gesamtgesellschaftlich durchsetzen zu können. Sie sollten von der Bereitstellung öffentlicher Güter, technologischer Innovationen und einer sich ändernden gesellschaftlichen Wahrnehmung von Konsum und Wohlstand begleitet werden. Dafür notwendige (infra-)strukturellen Bedingungen können vor allem in besonders ressourcenintensiven Handlungsfeldern, wie dem Verkehrs-, Wohn- und Energiesektor, geschaffen werden. (mittlere Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis)

Gestaltungsoptionen

  • Eine ökosoziale, progressive Steuerreform kann in Verbindung mit der Bereitstellung öffentlicher Güter ein Steuerungselement für die Schaffung sozial gerechter und klimafreundlicher Strukturen sein. (mittlere Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis)

  • Sachleistungen in Form von öffentlichen Gütern haben eine progressivere Auswirkung auf die Einkommensverteilung als Geldtransfers. Die Bereitstellung von umweltfreundlichen und lokalräumlich spezifischen Alternativen hat sowohl positive Klima- als auch Verteilungseffekte. (mittlere Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis)

17.1 Einleitung

Die Verteilung von Löhnen, Einkommen, Vermögen oder dem Zugang zu sozial-ökologischer Infrastruktur beeinflusst die Möglichkeiten, klimafreundlich zu leben. Gleichzeitig wird die ungleiche Verteilung der produzierten und konsumierten Emissionen zunehmend als eine wesentliche Ursache angesehen, warum Klimaziele nicht erreicht werden (Knight et al., 2017; UNEP, 2021; Wiedmann et al., 2020). Der vorliegende Beitrag soll den Wirkungszusammenhang zwischen ungleicher Verteilung von Ressourcen und klima(un)freundlichem Verhalten genauer beleuchten. Dies soll anhand der Analyse sozialer und räumlicher Ungleichheit geschehen.

Der Begriff der sozialen Ungleichheiten wird hier vorwiegend als Einkommens- und/oder Vermögensungleichheit zwischen Personen oder Haushalten einer Region oder eines Staates gefasst, da Einkommen und Vermögen die wirkmächtigsten Einflussfaktoren produzierter und konsumierter Emissionen sind (Wiedmann et al., 2020). Durch diese Einschränkung ergibt sich eine Limitation des vorliegenden Beitrags, da andere relevante Ungleichheitsachsen wie Gender, Race oder Alter vernachlässigt werden [für nähere Ausführungen dazu, siehe Kap. 7 Erwerbsarbeit, 8 Sorgearbeit und 9 Freizeit und Urlaub]. Außerdem wird im Folgenden auf konsumbasierte CO2-Emissionen fokussiert, die mittels Input-Output-Analysen eine ortsungebundene Analyse von Emissionsverhalten ermöglichen [siehe Kap. 7 Erwerbsarbeit und 14 Wirtschaft für die Zusammenhänge von Produktion und klima(un)freundlichem Verhalten].

Obwohl sich Einkommen aus mehreren Komponenten zusammensetzt (Atkinson, 2015), gehen die meisten Studien über den Zusammenhang von Klimawandel und Ungleichheit von verfügbaren Individual- und/oder Haushaltseinkommen (das heißt verbleibendes Einkommen nach Steuern und Transferzahlungen) aus. Einige wenige Studien befassen sich mit dem Zusammenhang von Vermögen und umweltschädlichem Verhalten (Chancel, 2022; Rehm, 2021; Theine & Taschwer, 2021). Wenig verbreitet, aber für den Diskurs über klimafreundliches Leben wichtig ist ein erweiterter Einkommensbegriff, der auch den Konsum von öffentlich bereitgestellten Gütern (kommunaler Wohnbau, öffentlicher Verkehr, Gesundheit, Bildung etc.) umfasst (Hoeller et al., 2012). Denn wenn diese Infrastrukturen allgemein zugänglich und sozial-ökologisch sind, hat dies sowohl positive Effekte auf das Klima als auch eine stark umverteilende Wirkung (Dabrowski et al., 2020; Hickel, 2021). Einkommen (im engeren Sinne) erhöht zwar das Bruttoinlandsprodukt, aber Einkommensniveaus müssen nicht unbedingt höheren Wohlstand signalisieren, wenn Güter wie Bildung oder Gesundheitsdienste privat zugekauft werden müssen (Hickel, 2020). Im Folgenden wird daher auf einen erweiterten Einkommensbegriff Bezug genommen, der sowohl den Zugang zu sozial-ökologischen Infrastrukturen und Bereitstellungssystemen als auch dessen räumliche Verteilung miteinbezieht.

Räumliche Ungleichheiten werden hier im engeren Sinne als geographische Unterschiede in Pro-Kopf-Einkommen verstanden, die für Einheiten wie Staaten, Regionen oder Regionstypen (Stadt, Land, Vorort) bzw. unterschiedliche räumliche Maßstäbe (global, national, regional) definiert werden können. Unterschiedliche räumliche Konfigurationen (z. B. zentral angebundener versus peripherer Raum) produzieren unterschiedliche Emissionsmuster, indem sie eine klimafreundliche Lebensführung begünstigen bzw. erschweren (Wagner, 2021). Es sind jedoch nicht nur Emissionsmuster, sondern auch negative Umweltauswirkungen und die Kosten von Mitigations- bzw. Adaptionsstrategien im Raum ungleich verteilt (Zwickl et al., 2014).

17.2 Status quo

Ausgehend von den oben eingeführten Definitionen und Einschränkungen werden im Folgenden der Status quo in Bezug auf soziale bzw. räumliche Ungleichheiten und deren Einfluss auf klima(un)freundliches Verhalten sowie die Verteilungseffekte klimaschützender Maßnahmen erörtert.

17.2.1 Soziale Ungleichheiten und die Klimakrise

Ergebnisse internationaler empirischer Untersuchungen liefern Belege für einen positiven Zusammenhang zwischen Reichtum, Einkommen, Konsum und daraus resultierenden klimaschädigenden Emissionen (Chancel, 2022; Gore, 2020, 2021; Kartha et al., 2020). Quantitative Studien bestätigen, dass Konsum den mit Abstand größten Einfluss auf diverse Umweltindikatoren (CO2-Emissionen, Ressourcenverbrauch, Luftverschmutzung, Biodiversität, Stickstoffemissionen, Wasser- und Energieverbrauch) ausübt und den Einfluss anderer sozioökonomischer und demographischer Faktoren wie Alter, Haushaltsgröße, Bildung oder Baustruktur klein aussehen lässt (Chang et al., 2019; Mardani et al., 2019; Stern et al., 2017; Wiedenhofer et al., 2013). Es herrscht außerdem Konsens darüber, dass die reichsten Haushalte für einen Großteil der globalen CO2-Emissionen der letzten 30 Jahre verantwortlich sind (Wiedmann et al., 2020) und Konsumnormen antreiben, die durch Statuswettbewerb und einhergehenden positionellen Konsum erklärt werden (Clark, 2018; Kallis, 2015; Oswald et al., 2020; Otto et al., 2019). Zwischen 1990 und 2015 verursachten die reichsten 10 Prozent 52 Prozent der globalen Gesamtemissionen, das reichste Prozent 15 Prozent (Gore, 2020). Zu beobachten ist zudem, dass das Konsumniveau und der damit verbundene Ressourcenverbrauch der wohlhabendsten Haushalte kontinuierlich steigen. Zwischen 1990 und 2019 waren das reichste Prozent für 21 Prozent und das reichste 0,1 Prozent für 10 Prozent des Emissionszuwachses verantwortlich (Chancel, 2022). Sommer & Kratena (2017) identifizieren zwar eine relative Entkopplung in höheren Einkommensquintilen, diese reicht jedoch nicht aus, um das deutlich höhere Konsumniveau auszugleichen. Gleichzeitig stagniert der wirtschaftliche Aufstieg der Ärmeren im selben Zeitraum auf gleichbleibend niedrigem Niveau, während die zu tragenden Kosten der Umweltverschmutzung weiter zunehmen (Kartha et al., 2020).

Während die globale Ungleichheit in CO2-Emissionen 1990 noch zu zwei Dritteln durch Unterschiede in den durchschnittlichen Emissionen von Staaten erklärt werden konnte („Between-country-Komponente“), sind diese Ungleichheiten heute zu 63 Prozent auf Unterschiede innerhalb der Staaten („Within-country-Komponente“) zurückzuführen (Chancel, 2022).

In diesen globalen und europäischen Vergleichen wird Österreich aufgrund des restriktiveren Zugangs zu relevanten Daten und seiner geringen Größe oft nicht inkludiert. Auch gibt es kaum spezifische Analysen zu Einkommen und Emissionen in Österreich. Eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie zur ungleichen Verteilung von CO2-Ausstoß nach Einkommensschichten in Österreich zeigt, dass die reichsten 10 Prozent der Haushalte mehr als viermal so viel CO2 wie die ärmsten 10 Prozent der Haushalte und mehr als doppelt so viel CO2 wie der Medianhaushalt in Österreich verursachen.Footnote 1 Die meisten konsumbedingten CO2-Emissionen eines Durchschnitthaushalts wurden dabei im Bereich Wohnen und Energie (22 Prozent), Verkehr (20 Prozent) und für Lebensmittel und Getränke (16 Prozent) verbraucht (Frascati, 2020)Footnote 2. Laut der World Income Inequality Database (World Inequality Database, 2021) emittieren die reichsten 10 Prozent der Östereicher_innen durchschnittlich 42 Tonnen CO2-ÄquvalentFootnote 3 im Jahr 2019Footnote 4.

Diese Zahlen müssen im Kontext relativ geringer Einkommensungleichheit gesehen werden. Einkommensanteile (vor Steuer und Transferzahlungen) der Top 10 Prozent machen in Österreich ungefähr 33 Prozent vom BIP aus, während der Einkommensanteil der unteren 50 Prozent ungefähr 23 Prozent des BIP ausmacht. Diese Verteilung ist ähnlich wie jene Frankreichs, aber um einiges gleicher als diejenige der USA (Jestl & List, 2020). Vermögen ist in Österreich jedoch sehr ungleich verteilt (Ferschli et al., 2018; Hofmann et al., 2020; Schürz, 2019). Das reichste Prozent besitzt knapp 40 Prozent des österreichischen Privatvermögens (Heck et al., 2020). Theine & Taschwer (2021) argumentieren, dass diese ungleiche Verteilung von Betriebs-, Finanz-, Grund- und Immobilien-, Stiftungs- und sonstigen Vermögen Ausdruck eines strukturellen Überreichtums sind, welcher eine sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft verhindert – im Interesse einer kleinen Gruppe vermögender Menschen, die einen extrem klimaschädlichen Lebensstil beibehalten können. Am unteren Ende der Vermögensleiter bildet Mangel an Reichtum (z. B. Geldrücklagen, Ersparnisse etc.) eine Barriere, um klimafreundliche Innovationen (z. B. Heizsysteme, Isolierung etc.) einzuführen (Allinger et al., 2021).

17.2.2 Räumliche Ungleichheiten und die Klimakrise

Während Einkommen bzw. Ausgaben in der Literatur als der bestimmende sozioökonomische Faktor für Unterschiede im Niveau der Treibhausgasemissionen von Haushalten behandelt wird (Lenzen et al., 2006), wird seit geraumer Zeit auch dem räumlich ungleich verteilten Ausstoß von Treibhausgasen innerhalb eines Staatsgebietes Aufmerksamkeit geschenkt. Ein besonderes Augenmerk liegt hier auf einem etwaigen Stadt-Land-Gefälle (Ribeiro et al., 2019; Wiedenhofer et al., 2017), aber auch andere sozioökonomische Faktoren wie die Komposition und Größe von Haushalten (Ivanova et al., 2017; Ivanova & Wood, 2020; Ottelin et al., 2019) spielen eine Rolle. Hinzu kommen außerdem räumliche wie auch technologische Faktoren (Jones & Kammen, 2014). Ein großer Teil der internationalen Forschung in diesem Bereich untersucht Nicht-EU-Länder (Herendeen et al., 1981; Jones & Kammen, 2014; Lenzen & Murray, 2001; Wang & Chen, 2020; Wiedenhofer et al., 2013). Zuletzt wurde jedoch auch europäischen Ländern verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt (Ala-Mantila et al., 2014; Baiocchi et al., 2015; Gill & Moeller, 2018; Millward-Hopkins et al., 2017; Ottelin et al., 2019; Wier et al., 2001). Methodisch eint den Großteil dieser Studien, dass sie sich in ihrer Datenanalyse Extended-Environmental-Input-Output-Tabellen bedienen, um den Effekt einzelner Konsumkategorien auf das Niveau der Emissionen von Haushalten zu ermitteln. Zwei Dinge sind hier entscheidend: Es werden sowohl direkte (z. B. Energieverbrauch durch Heizen, Mobilität) als auch indirekte („embodied“) Emissionen (z. B. Emissionen, die bei der Produktion, Transport, Verkauf von Konsumartikeln produziert und damit im Produkt enthalten sind) und keine produktionsbasierten, also territorial eingegrenzten Werte herangezogen (Baynes et al., 2011). Dementsprechend fokussieren sie auf konsumbasierte („consumption-based“) Emissionen (Wiedenhofer et al., 2017; Wier et al., 2001).

Basierend auf den Einsichten der „new urban economics (NUE)“ und „new geographical economics (NGE)“ (Brakman et al., 2019; Glaeser, 2011; Glaeser et al., 2001; Storper, 2018) versuchen länderübergreifende vergleichende Studien (Ivanova et al., 2017; Ivanova & Wood, 2020; Ottelin et al., 2019; Sommer & Kratena, 2017) zu prüfen, ob ein mit Urbanisierung zusammenhängender Anstieg in der Bevölkerungsdichte durch Effizienzgewinne zu Nettoeinsparungen bei Treibhausgasemissionen pro Kopf führt und wir deshalb nur „mit einem urbanen Leben die Erde retten“ (Wagner, 2021). Die Begründung dieser These ist laut Wiedenhofer et al. (2013), dass Unterschiede im Energiebedarf des städtischen und ländlichen Lebens vor allem auf unterschiedliche Ausgabenmuster und ungleiche Einkommen zurückzuführen sind. Suburbanes und ländliches Leben ist ungefähr 10 Prozent energieintensiver als urbanes Leben (Herendeen et al., 1981; Shammin et al., 2010). Die Einsparungen kommen hierbei größtenteils aus den Bereichen Wohnen und Mobilität und werden auch als Agglomerationseffekte („urban economies of scale“) beschrieben (Fremstad et al., 2018).

Für die USA untersuchen Jones & Kammen (2014) konsumbasierte Durchschnittswerte von CO2-Fußabdrücken von Haushalten und verbinden diese mit Daten zur Bevölkerungsdichte auf Nachbarschaftslevel. Ihre Ergebnisse zeigen ein bestimmtes geographisches Muster: Ringe von sehr hohen CO2-Fußabdrücken in den Vororten, die sich um urbane Zentren mit relativ niedrigen CO2-Fußabdrücken ziehen. Ein hohes Einkommen führt in dieser Studie zu größeren Konsumausgaben und ist auch der wirkmächtigste Faktor, allerdings dicht gefolgt von privatem Verkehr. Die Form der Urbanität ist entscheidend für räumliche Unterschiede in Emissionsmustern (Wiedenhofer et al., 2013). Suburbane Räume sind die klimaunfreundlichste Kombination von relativem Reichtum und relativ dünner Besiedelung (Wagner, 2021). Auch für Deutschland wird ein signifikanter „density-effect“ festgestellt – die Emissionen pro Haushalt sind signifikant geringer in dichter besiedelten Räumen (Gill & Moeller, 2018). Die wichtigsten Einflussfaktoren sind auch hier privater Verkehr und privater Energieverbrauch, welche beide in ländlichen Gegenden deutlich höher sind. Nichtsdestotrotz zeigen ihre Ergebnisse ebenfalls, dass dies zum Teil durch höhere Konsumausgaben aufgrund von höherem verfügbarem Einkommen in urbanen Zentren aufgewogen wird. Außerdem ist der Konsum in Städten nicht nur aufgrund höherer indirekter Emissionen (z. B. in der Gastronomie) kohlenstoffintensiver (Ala-Mantila et al., 2014). Zusätzlich werden Einsparungen von Emissionen durch die Nutzung von öffentlichen Nahverkehrssystemen durch erhöhtes Flugverhalten umgekehrt (Czepkiewicz et al., 2018).

Für Österreich und basierend auf der „Konsumerhebung 2004/05“ zeigt sich, dass die direkten Pro-Kopf-Emissionen in Städten am geringsten und in suburbanen Räumen am höchsten sind. Erklärt wird dies durch (1) höhere Bevölkerungs-, Beschäftigungs-, Wohnungs- und Einzelhandelsdichte, (2) Konnektivität (z. B. effizienteres Straßendesign), (3) „accessibility“ (z. B. kürzere Arbeitswege; Bereitstellung alternativer gering emittierender Verkehrsmittel) und (4) Bodennutzung (Integration von Wohn-, kommerziellen und Erholungsräumen, z. B. „Stadt der kurzen Wege“). Diese direkten Ersparnisse sind vor allem auf unterschiedliche Formen des Verkehrs, Heizens und Kochens mit unterschiedlichen Energieinputs zurückzuführen. Ersparnisse von direkten Emissionen werden durch höhere indirekte Emissionen in Form von höherem Konsum (höheres städtisches Durchschnittseinkommen) abgeschwächt, jedoch in einem zu geringen Ausmaß, als dass der Trend umgedreht würde (Muñoz et al., 2020, S. 8). Während die relativ geringeren Emissionen in zentralen Städten aus den meisten Studien klar hervorgehen, wird die Frage nach dem größten Einsparungspotenzial unseres Wissens nicht behandelt. Diese Studien wären aber wichtig, da Investitionen in Regionstypen mit dem höchsten Einsparungspotenzial schneller Wirkung zeigen würden.

17.2.3 Verteilungseffekte von klimaschützenden Maßnahmen

Obwohl es eine Reihe von implementierbaren klimaschützenden (markt- und nichtmarktbasierten) Maßnahmen gibt, bezieht sich die Literatur fast ausschließlich auf Verteilungseffekte von marktbasierten Maßnahmen und hier vor allem auf jene, die bei der Einführung einer CO2-Steuer und/oder des Emissionshandels erwartet werden.

Köppl & Schratzenstaller (2021) bieten eine Übersicht über die wichtigsten Umweltpolitikinstrumente, die in der theoretischen und empirischen Literatur diskutiert werden, und evaluieren die Auswirkungen von Umweltsteuern unter anderem auch unter verteilungspolitischen Aspekten. Größtenteils werden hier, wie auch in diesem Kapitel, Verteilungseffekte für den Haushaltssektor und nicht für den Produktionssektor angesprochen, da davon ausgegangen wird, dass Kosten am Ende auf Konsument_innen abgewälzt werden können (in Abhängigkeit der Preiselastizität in den unterschiedlichen Produktionssektoren). Basierend auf ihrer Literaturanalyse kommen Köppl & Schratzenstaller (2021) zu folgenden Schlüssen: Ohne kompensierende Maßnahmen wäre die Einführung einer CO2-Steuer regressiv, da Haushalte mit geringeren Einkommen einen höheren Anteil ihrer Konsumausgaben für energieintensive Produkte ausgeben (siehe auch (Chancel, 2022; Humer et al., 2021; Theine et al., 2022)).

Wenn man von einem Subsistenzniveau von kohlenstoffintensiven Produkten zur Befriedigung von Grundbedürfnissen (Wohnen, Essen, Heizen, soziale Teilnahme etc.) ausgeht, würde eine CO2-Steuer Haushalte mit niedrigen Einkommen relativ stärker belasten (Köppl & Schratzenstaller, 2021). Es herrscht jedoch kein eindeutiger Konsens. Mayer et al. (2021) zeigen, dass eine CO2-Steuer aufgrund stark sinkender Kapitaleinkommen (die eher reichere Haushalte betreffen) eine progressive Wirkung entfalten könnte. Außerdem sind die Verteilungseffekte einer CO2-Steuer auch von Haushaltscharakteristika wie Wohnort, Haushalttyp, demographischer Komposition etc. sowie räumlichen Faktoren abhängig. Die theoretische Literatur wird dabei von einer Vielzahl von empirischen Studien unterstützt. Deren Resultate hängen stark von den besteuerten Energiequellen und den verwendeten Indikatoren zur Messung von Verteilungseffekten ab (Kirchner et al., 2019). Einkommensbasierte Indikatoren reflektieren die Verteilung von Steuerbelastungen über Einkommensgruppen. Ausgabenbasierte Indikatoren messen die Last relativ zu Ausgaben. Empirische Studien basieren auf Haushaltskonsumausgaben oder Mikrosimulationen, statischen Input-Output Modellen mit Haushaltsdaten oder Mikrosimulationen oder Studien, die sich auf die Simulation von makroökonomischem Feedback in Form von General Equilibrium Models oder makroökonomischen Input-Output-Modellen stützen.

Es scheint relativer Konsens darüber zu herrschen, dass Benzinsteuern eine schwach regressive oder sogar progressive Verteilungswirkung haben (Köppl & Schratzenstaller, 2021; siehe allerdings Bernhofer & Brait [2011] für alternative Berechnungen für Österreich). Das liegt daran, dass der Anteil der Transportausgaben mit dem Einkommen ansteigt, während der Anteil von Haushaltsenergiekonsum (Strom und Heizen) mit steigendem Einkommen abnimmt. In Österreich geben die reichsten 20 Prozent fünfmal mehr für Verkehr aus als die ärmsten 20 Prozent – da Privatautobesitz in den unteren Dezilen stark unterrepräsentiert ist, hätte eine Benzinsteuer eine progressive Wirkung. Zusätzlich wirken sich Steuern unterschiedlich auf unterschiedliche Haushaltstypen und Regionen aus (siehe auch unten).

Für Österreich gibt es mehrere Modellrechnungen. Kernergebnisse dieser Studien zeigen, dass die Einführung einer CO2-Steuer ohne entsprechende Rück- bzw. Umverteilungsmaßnahmen der generierten Einnahmen („Recycling“) eine regressive Wirkung hätte (Humer et al., 2021; Kirchner et al., 2019; Mayer et al., 2019). Konkret zeigten Kirchner et al. (2019), dass die Einführung einer CO2-Steuer (120 Euro/Tonne CO2) ohne Recycling der Einnahmen regressiv ist, wenn die Steuerbelastung relativ zum Einkommen oder Veränderungen in den realen Ausgaben berechnet wird. Mittlere Einkommenshaushalte wären dabei am stärksten belastet. Basierend auf dem Mikrosimulationsmodell TAXSIM kann gezeigt werden, dass sowohl bei einem niedrigeren (50 Euro/Tonne CO2) bzw. einem höheren (150 Euro/Tonne CO2) CO2-Preis eine steigende absolute Belastung für österreichische Haushalte entlang der Einkommensverteilung beobachtet werden kann (bei einem angenommenen Preis von 50 Euro/Tonne kann eine Steuerlast von 200 Millionen Euro im untersten und 260 Millionen im obersten Einkommensviertel berechnet werden). Die relative Last der CO2-Steuer sinkt aber mit steigendem Einkommen (2,4 Prozent im untersten und 0,3 Prozent im obersten Einkommensviertel), da Emissionen gleicher verteilt sind als das verfügbare Haushaltseinkommen (Humer et al., 2021).

Kompensationsstrategien, wie Steuersenkungen oder Rückzahlungen, beeinflussen sowohl die Lenkungswirkung der CO2-Steuer als auch deren potenzielle regressive Wirkung (Eisner et al., 2021; Humer et al., 2021; Kirchner et al., 2019; Mayer et al., 2019; Rengs et al., 2020; Tölgyes, 2021). So zeigen Mayer et al. (2019), dass ein Ökobonus in Kombination mit einer Umsatzsteuersenkung sowohl progressive Verteilungseffekte als auch eine etwas höhere CO2-Reduktion bewirken könnte. Tölgyes (2021) hebt hervor, dass eine soziale Staffelung der Rückzahlung sowie eine Rücksichtnahme auf die Wohn- und Heizsituation dabei treffsicherer als eine allgemeine Steuersenkung oder ein pauschaler Ökobonus wäre und somit ein Trade-Off zwischen der Lenkungs- und der sozialen Ausgleichswirkung einer CO2-Steuer verhindert werden könnte.

Während eine CO2-Steuer, die mit einer progressiven Rückverteilung der Einnahmen (z. B. in Form eines (pauschalen) Ökobonus) durchaus mit CO2-Emissionseinsparungen bei gleichzeitig progressiven oder neutralen Verteilungseffekten auf nationaler Ebene vereinbar wären, scheint die CO2-Reduktion trotzdem unzureichend zu sein, um die Pariser Klimaziele zu erreichen (Mayer et al., 2019). Eine CO2-Steuer muss daher durch andere, nicht marktbasierte, strukturelle Maßnahmen (Raumplanung, öffentliches Verkehrsangebot, Ausbau erneuerbarer Energiequellen etc.) unterstützt werden. Während die Mehrzahl der Studien die Verteilungswirkungen von CO2-Steuern an Hand von historischen oder gegenwärtigen Konsummustern berechnen und komplexere Feedback- und Rebound-Effekt üblicherweise vernachlässigen, werden diese in der integrierten, modellbasierten Szenarioanalyse von Großmann et al. (2019) berücksichtigt, um die Auswirkungen einer Vielzahl notwendiger klimaschützender Maßnahmen für die Einhaltung der 1,5 Grad Celsius Zieles auf die SDGs zu evaluieren. Neben der Einführung der CO2-Steuer wird vor allem die Notwendigkeit von Investitionen (bis zu 10 Milliarden Euro im Jahr) im Energie- und Transportsektor [vgl. Kap. 2, Innovationsperspektive] insbesondere der Ausbau erneuerbarer Energiequellen, Investitionen in Strom- und Gasnetzinfrastruktur sowie Lagerung und Speicherung, hervorgehoben. Maßnahmen im Transportsektor betreffen die Reduktion von fossilen Antrieben, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge, den Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes sowie von Rad- und Fußwegen, eine Reduktion von Ticketpreisen der öffentlichen Verkehrsmittel, die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Schiene (Hochgeschwindigkeits- und Nachtzüge), eine Raumordnung (z. B. „Stadt der kurzen Wege“), die den Verzicht auf den eigenen Pkw ermöglicht, die Verlagerung des Güterverkehrs von Straße auf Schiene, die Erhöhung der Besteuerung von Diesel sowie striktere Emissionsnormen für Neuzulassungen und ein flächendeckendes Road Pricing. Zusätzlich werden die thermische Sanierung des Gebäudebestands [siehe unten und Kap. 4 Wohnen], Transformation der Heizungssysteme und die Verdichtung von Siedlungsflächen sowie Mehrgeschoßbau für Mehrfamiliengebäude im Bereich des Wohnungssektors angesprochen [siehe Kap. 19 Raumplanung]. Laut Modellberechnungen würde sich aufgrund diskutierter Maßnahmen die Armutsgefährdungsquote von 14 Prozent auf 14,6 Prozent erhöhen. Welche konkreten Auswirkungen die Maßnahmen auf das Einkommen unterschiedlicher Haushaltgruppen haben, kommt dabei auf das Design der eingesetzten Fördermittel (z. B. Unterstützung zur Einführung von Solarpanels oder energieeffizienter Ausbau des sozialen Wohnbaus etc.) an (Großmann et al., 2019).

Während der Fokus der Literatur auf den Verteilungseffekten einer Emissionssteuer liegt, greift eine Reduktion von Klimapolitik auf Steuerpolitik zu kurz. Zusätzlich zu steuerlichen Maßnahmen wird daher die Schaffung alternativer Wohn-, Mobilitäts- und sozialer Leistungen gefordert, die es Menschen erlaubt, ihre Grundbedürfnisse durch klimafreundliche Alternativen zu befriedigen (Brand-Correa et al., 2020; Gough, 2017). Für Österreich zeigen Rocha-Akis et al. (2019), Dabrowski et al. (2020) und Jestl und List (2020), dass öffentlich bereitgestellte Sachleistungen (z. B. öffentlicher Verkehr, staatlicher Wohnbau, Parks, Fahrradwege, Gesundheits- und Bildungsleistungen etc.) eine stark progressive Wirkung auf die Einkommensverteilung haben [siehe dazu Kap. 2, Bereitstellungsperspektive]. Eine Vernachlässigung von Verteilungseffekten klimapolitischer Maßnahmen würde die Einführung notwendiger Maßnahmen zur Erreichung der Pariser Klimaziele dabei erheblich erschweren (Köppl & Schratzenstaller, 2021; Chancel, 2022).

Ausgehend von den hier diskutierten Problemstellungen lassen sich abschließend drei wesentliche Zusammenhänge zwischen klima(un)freundlichem Verhalten und sozialen und räumlichen Ungleichheiten zusammenfassen:

  1. (a)

    Einkommen und Wohnort (und Relation zum Arbeitsort) beeinflussen die Höhe und Struktur des Konsums und strukturieren auf diese Weise klima(un)freundliches Verhalten (Boyce, 2007; Brocchi, 2019; Laurent, 2014).

  2. (b)

    Der karbonintensive Konsum einkommens- und vermögensstarker Gruppen stellt ein zunehmendes Problem bei der Bewältigung der Klimakrise dar (Rehm, 2021; Wiedmann et al., 2020).

  3. (c)

    Einkommensgruppen sind finanziell unterschiedlich von klimaschützenden Maßnahmen betroffen. Belastungen werden je nach Wohnort verstärkt oder gemildert (Chancel, 2020; Laurent, 2014).Footnote 5

17.3 Notwendige Veränderungen struktureller Bedingungen

Mobilität und Wohnen zählen zu jenen Sektoren, welche für einen Großteil der in Österreich emittierten CO2-Gesamtemissionen verantwortlich sindFootnote 6 (Frascati, 2020, Muñoz et al., 2020). Vor diesem Hintergrund und auf Basis österreichischer Literatur und Daten zu Konsum- und Ausgabenstrukturen im Allgemeinen sowie Wohn- und Mobilitätsverhalten der Österreicher_innen im Speziellen lassen sich Mobilität und Verkehr sowie Wohnen und Energie als die zwei wesentlichsten Handlungsfelder im Kontext dieses Kapitels festlegen. Hinsichtlich Mobilität und Verkehr liegt der Fokus insbesondere auf verteilungspolitischen Strategien zur Schaffung klimafreundlicher und sozioräumlich zugänglicher Mobilitätsalternativen. Klar ist, dass es neben einer Verlagerung von klimaschädlicher auf ökologische Mobilität („modal shift“) vor allem die Vermeidung und Reduktion von Verkehr braucht. Für eine weiterführende Diskussion dazu möchten wir auf Kap. 6 Mobilität verweisen.

17.3.1 Mobilität und Verkehr

Laut Daten der Konsumerhebung 2019/2020 von Statistik Austria ist Verkehr mit 13,9 Prozent (5,6 Prozent Kfz-Anschaffung, 7,3 Prozent Fahrzeuginstandhaltung, 1,1 Prozent öffentlicher Verkehr [ÖV]) nach Wohnen und Energie (24,4 Prozent) der zweitgrößte Ausgabenposten für private Haushalte in Österreich (Statistik Austria, 2021b). Eine Analyse der Konsumerhebung 2009/10 von Schönfelder et al. (2016) ergab, dass der Anteil der MobilitätsausgabenFootnote 7 am verfügbaren Einkommen aller österreichischen Haushalte durchschnittlich bei 15 Prozent lag, Haushalte mit Pkw gaben etwa 17 Prozent ihres Einkommens für Mobilität aus, jene ohne Pkw 3 Prozent. Allgemein liegt der österreichweite Verkehrsmittelwahlanteil („modal split“) des motorisierten IndividualverkehrsFootnote 8 bei 60 Prozent, der des öffentlichen, Rad- und Fußverkehrs bei rund 40 Prozent (Schönfelder et al., 2016).

Das Verkehrs- und Mobilitätsverhalten unterscheidet sich stark zwischen der ländlichen und urbanen Bevölkerung (BMVIT, 2016; Schönfelder et al., 2016, 2021). So konzentriert sich die Nutzung alternativer Mobilitätsangebote, wie des öffentlichen, Fuß- oder Radverkehrs sowie von (Car-)Sharing-Konzepten, hauptsächlich in urbanen Bereichen: Während in Wien rund 38 Prozent der Bewohner_innen ihre Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen, sind es in anderen österreichischen Großstädten 17 Prozent, in peripheren Bezirken sogar nur 8 Prozent. Der Anteil jener Bevölkerung, welche ihre Wege per motorisiertem Individualverkehr (Lenker_innen und Mitfahrer_innen) zurücklegen, ist in peripheren Bezirken am höchsten (79 Prozent) und in Wien (33 Prozent) am niedrigsten (BMVIT, 2016; Schönfelder et al., 2016). Die regionale Heterogenität im Mobilitätsverhalten lässt sich vor allem auf das unterschiedliche Angebot von ÖV-Dienstleistungen in urbanen und ländlichen Regionen zurückführen. So nimmt mit Zunahme der „Ländlichkeit“, also mit sinkender Bevölkerungsdichte, der Anteil an unzureichender ÖV-Versorgung signifikant zu, wie eine Untersuchung von Schönfelder et al. (2021) zeigt.

Studien belegen zudem, dass sich das Mobilitätsverhalten der österreichischen Bevölkerung auch hinsichtlich sozioökonomischer Faktoren unterscheidet (Leodolter, 2016; ÖAMTC, 2018; Schönfelder et al., 2016; VCÖ, 2018). Im untersten Einkommensquartil besitzen rund 60 Prozent ein Kraftfahrzeug, im Quartil mit den höchsten Einkommen sind es knapp 90 Prozent. Kaum einkommensspezifische Unterschiede lassen sich hingegen beim Besitz einer Jahreskarte (z. B. für ÖV) feststellen (Leodolter, 2016). Durch das aktuelle Pendlerpauschale wird der Arbeitsweg mit dem Auto jedoch steuerlich stärker entlastet als das Pendeln mit ÖV, Besserverdiener_innen profitieren davon überdurchschnittlich (38 Prozent gehen an Haushalte im obersten Einkommensviertel, 3 Prozent an das unterste Einkommensviertel) (VCÖ, 2018). Zwar zeigt sich, dass einkommensschwache Haushalte (verfügbares Einkommen von max. 1480 Euro pro Person und Monat) mit 172 Euro wegen des vergleichsweise niedrigen Pkw-Besitzes nur etwa 60 Prozent des österreichischen Durchschnitts für Mobilität ausgeben – trotzdem ist der Anteil der Mobilitätsausgaben am verfügbaren Gesamteinkommen dieser Haushaltsgruppe mit 16,1 Prozent überdurchschnittlich hoch (Schönfelder et al., 2016). Zudem kann festgestellt werden: Je höher das Einkommen von Pkw-Besitzer_innen ist, desto besser ist die Abgasklasse ihres Pkw. Ein Pkw-Austausch (z. B. zu energieeffizienten E-Modellen) ist für niedrige Einkommensschichten oft nicht leistbar (ÖAMTC, 2018). Auch die Wahl zwischen Flug- oder Bahnverkehr (speziell bei Urlaubs- oder Geschäftsreisen) unterscheidet sich je nach sozioökonomischer Gruppe: Besonders bei internationalen Reisen ist die ökologisch verträglichere Zug-Alternative oftmals deutlich kosten- und zeitintensiver als die Reise mit dem Flugzeug. Klimafreundliches Reisen ist daher aus Zeit- und/oder Kostengründen für viele langfristig nicht umsetzbarFootnote 9 (VCÖ, 2020).

Angeführte sozialräumliche Unterschiede im Mobilitätsverhalten müssen bei umweltpolitischen Maßnahmen zur Verlagerung und Vermeidung klimaschädlichen Verkehrs berücksichtigt werden, wenn sich klimafreundliche Lebensweisen gesamtgesellschaftlich durchsetzen sollen. Im Folgenden sollen einige strukturelle Bedingungen, welche insbesondere für die Förderung klimafreundlicher und sozial wie räumlich zugänglicher Mobilitätsalternativen notwendig sind, diskutiert werden.

Wenn Mobilität und Verkehr zukunftsfähig, also sozial gerecht und ökologisch werden soll, dann benötigt es neben (1) der entsprechenden Infrastruktur auch (2) finanzielle und steuerpolitische Maßnahmen. Wesentlich sind hierbei nicht nur der weitreichende Ausbau eines finanziell und räumlich leicht zugänglichen öffentlichen Verkehrs- und Mobilitätssystems, sondern auch eine zielgerichtete Besteuerung von klimaschädlichem Mobilitätsverhalten sowie eine sinnvolle (Um-)Verteilung finanzieller Mittel, Förderungen und generierter Mehreinnahmen.

Laut analysierter Literatur lassen sich folgende zentrale (infra-)strukturelle Strategieoptionen zusammenfassen:

  1. a)

    Integrierte und koordinierte Raum- und Verkehrsplanung anhand regionaler Entwicklungspläne,

  2. b)

    verpflichtende Erschließungsstandards und Taktverdichtungen im öffentlichen Verkehr,

  3. c)

    Schaffung attraktiver und bedarfsorientierter Lösungen und Mobilitätskonzepte jenseits des Pkw, speziell in dünn besiedelten Gebieten,

  4. d)

    der allgemeine Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sowie

  5. e)

    von sicheren Geh- und Fahrradwegen, vor allem in urbanen Regionen, und

  6. f)

    der Abbau von Zugangsbarrieren zu Infrastruktur und Information im Verkehr (Schönfelder et al., 2016; VCÖ, 2014, 2018, 2021).

Eine besondere Herausforderung ist die Reduktion des motorisierten Individualverkehrs und dem dafür notwendigen systematischen Aufbau alternativer Verkehrsoptionen in ländlichen Gebieten mit einer besonders dispersen Siedlungsstruktur (Stichwort: „Letzte Meile“) (Friedwanger et al., 2018; Hiess & Schönegger, 2015; VCÖ, 2018). Kleinräumige und regionalspezifische Projekte wie die Einrichtung von Ortsbussystemen, die Flexibilisierung des liniengebundenen öffentlichen Verkehrs, Mikro-ÖV-Systeme, öffentlicher Car-Sharing-Modelle oder der Wiederaufbau lokaler Versorgungsinfrastruktur lassen sich zwar mittlerweile in einigen österreichischen Regionen finden (z. B. gMeinBus TrofaiachFootnote 10, Stadtbus EisenstadtFootnote 11, ÖBB Post-ShuttleFootnote 12, ÖBB rail&driveFootnote 13, Dorfmobil und Dorfladen in der Gemeinde KlausFootnote 14), diese müssten aber flächendeckend verfügbar sein, um eine attraktive und reale Alternative zum motorisierten Individualverkehr darzustellenFootnote 15 (Hiess & Schönegger, 2015; VCÖ, 2018).

(1) Wenn soziale Gerechtigkeit hinsichtlich (klimafreundlicher) Mobilitätschancen gefördert werden soll, muss ein besonderes Augenmerk auch auf die finanzielle Zugänglichkeit zu und die Nutzungsgerechtigkeit von nachhaltiger Mobilität gelegt werden. Zielgerichtete staatliche Investitionen, welche zukunftsfähige Mobilitätsinfrastruktur unabhängig von persönlichem Einkommen und Besitz sicherstellen, sind dabei ebenso essenziell wie sinnvolle Steuer- und Umverteilungsmaßnahmen (Köppl et al., 2019; Sammer & Snizek, 2021; Schönfelder et al., 2016; VCÖ, 2014).

Wie Sammer & Snizek (2021) in einer aktuellen Studie betonen, könnte im Zuge einer ökosozialen Steuerreform im Verkehrssektor durch die Reduktion fahrzeugbezogener Steuern und Abgaben (Versicherungssteuer, Normalverbraucherabgabe etc.) die Nutzung umweltfreundlicher und möglichst fossilfreier Fahrzeuge für viele (Einkommensschwache) attraktiver werden. In Bezug auf verkehrsleistungsbezogene Steuern, Abgaben und Förderungen (Mineralölsteuer, Maut, Pendlerförderung etc.) braucht es Instrumente wie Umwelt- und Klimaabgaben für fossilen Treibstoff sowie eine fahrleistungsbezogene Maut, wenn das Benützen klimaunfreundlicher Fahrzeuge teurer und somit unattraktiver werden soll. Dabei sind die Zweckwidmung und Umverteilung staatlicher Mehreinnahmen für das Sicherstellen bzw. die Förderung von sozialer Gerechtigkeit eine wesentliche Bedingung. Mehreinnahmen, wie sie zum Beispiel durch den motorisierten Individualverkehr (z. B. Parkgebühren) oder die Internalisierung externer Umweltkosten (z. B. Umwelt- und Klimaabgaben für Treibstoff) entstehen, könnten für Investitionen in die weitere Ökologisierung des Verkehrssystems verwendet werden und zudem finanzielle Entlastung für jene bringen, welche sich umweltfreundlich verhalten oder einkommensschwach sind. Konkret könnten unterschiedliche Bonusmodelle, wie ein Mobilitätsbonus mit ökosozialer Pendler_innenförderung, zentrale Beispiele für sozial treffsichere und ökologisch effektive Lösungen sein (Köppl et al., 2019; Sammer & Snizek, 2021; Schönfelder et al., 2016; VCÖ, 2014).

Internationale Vorbilder und Best-Practice-Beispiele bereits implementierter Bonusmodelle lassen sich unter anderem in der Schweiz, Belgien oder Kanada finden. In Basel wird seit 2013 der Pendlerfonds aus 80 Prozent der Bruttoeinnahmen der Parkraumbewirtschaftung (jährlich etwa 2,5 Millionen Euro) gespeist. Der Fonds unterstützt Projekte, wie Park-/Bike-and-Ride-Anlagen, Quartierparkings oder neue ÖV-Angebote. Zudem können in der ganzen Schweiz alle Ausgaben für das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln steuerlich abgesetzt werden und Fahrrad-Pendler_innen haben Anspruch auf eine jährliche Pendlerpauschale von rund 600 Euro (Pendlerfonds, o.J.; VCÖ, 2014, 2021). Auch in Belgien wird das Pendeln mit dem Fahrrad entweder mit einem jährlichen einkommensabhängigen Pauschalbetrag oder einem fixen Kilometergeld (23 Cent pro Kilometer mit dem Fahrrad, 15 Cent, wenn zu Fuß gegangen wird) belohnt (Frommeyer, 2020; VCÖ, 2021). In British Columbia wurde 2008 ein sozial gestaffelter Ökobonus eingeführt. Die durch die Besteuerung fossiler Brennstoffe (Stand 2021: 30 Euro pro Tonne CO2) generierten Einnahmen werden jährlich in Form von einkommensabhängigen Bonuszahlungen („Climate Action Credits“) an Haushalte mit geringen bis mittleren Einkommen ausgezahlt. Zusätzlich fördert ein Teil der Steuereinnahmen besonders klimaeffiziente Unternehmen und Fonds zum Ausbau ökologischer Produktionsanlagen (Harrison, 2019; Strategy Ministry of Environment and Climate Change, 2021; VCÖ, 2021).

Eine kürzlich implementierte Maßnahme, welche die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in ganz Österreich attraktiver und finanziell zugänglicher machen soll, ist die Einführung des sogenannten Klimatickets (vormals 1-2-3-Klimaticket). Das Tarifmodell soll es ermöglichen, zu einem Fixpreis (je nach Kategorie zwischen 800 und 1095 Euro) jeden Linienverkehr (öffentlicher und privater Schienenverkehr, Stadtverkehr und Verkehrsverbünde) österreichweit zu nutzen. Finanziert wird das Ticket zum Großteil vom Bund und den Ländern (BMK, 2021; KlimaticketNow, 2021). Wie groß die ökologischen und sozialen Lenkungseffekte dieser Maßnahme sind, wird sich erst zeigen. In Hinblick auf räumliche und soziale Nutzungsgerechtigkeit ist jedoch anzunehmen, dass es zusätzlich zu Maßnahmen wie dieser den verstärkten Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes, speziell in peripheren Regionen, sowie gezielte Förderungen für Einkommensschwache brauchen wird.

17.3.2 Wohnen und Energie

Das Handlungsfeld Wohnen und Energie wurde auf Basis der Literaturrecherche als zweiter entscheidender Faktor für ungleiche Emissionsmuster identifiziert.

In Österreich beträgt der monatliche Wohnkostenanteil am Haushaltseinkommen durchschnittlich ca. 20 Prozent. Der Anteil für einkommensschwache Haushalte (Haushaltseinkommen < 60 Prozent des Medians) beträgt 44 Prozent. Haushalte mit hohem Einkommen (> 180 Prozent des Medians) verwenden dabei lediglich 8 Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten (Statistik Austria, 2021a). Gleichzeitig geben letztere lediglich 2 Prozent ihres Haushaltseinkommens für Energiekosten aus, im Vergleich zu 4 Prozent, die von einkommensschwachen Haushalten aufgewendet werden (Statistik Austria, 2021a).

Im Bereich Wohnen und Energie sind ungleiche Einkommensverhältnisse deshalb relevant, da auch bei geringen Einkommen ein fixer Betrag, speziell fürs Heizen, umgesetzt wird. Dadurch steigt der relative Anteil der Energiekosten für Haushalte mit niedrigen Einkommen und stellt somit eine ungleich höhere Belastung dar, der sich die einkommensschwächeren Haushalte jedoch nicht entziehen können. Gleichzeitig emittieren einkommensstärkere Haushalte in absoluten Zahlen aufgrund größerer Wohnflächen und energieintensiverer Heizsysteme mehr (Wagner, 2021).

Der mit Wohnform und Wohnumfeld zusammenhängende Energieverbrauch ist ein entscheidender Treiber von Treibhausgasemissionen und stellt ein Strukturmerkmal dar, welches klimafreundliches Leben massiv fördern bzw. restringieren kann. Die Energieeffizienz von Gebäuden wird maßgeblich vom jeweiligen Heizsystem bestimmt. Mieter_innen haben hierauf keinerlei Einfluss (Allinger et al., 2021). Dieser Umstand hat aufgrund der hohen Mietquote von 42,8 Prozent (Statistik Austria, 2021a) in Österreich besondere Relevanz. Jedoch sind auch im Eigentum lebende private Haushalte aufgrund der erheblichen Kosten von z. B. thermischer Gebäudesanierung stark eingeschränkt (Schenk, 2016). In Österreich wird ca. zur Hälfte mit Hauszentralheizung geheizt, gefolgt von ca. einem Viertel Fernwärme, 11,8 Prozent Etagenheizung, 6,2 Prozent Einzelöfen, 3,9 Prozent Elektroheizung und 3 Prozent Gaskonvektoren. Die Energieträger sind dabei Gas (27,3 Prozent), Fernwärme (25 Prozent), Brennholz (16,2 Prozent), Heizöl (16 Prozent), Strom (6,7 Prozent), Holzpellets (5,1 Prozent), alternative Energieträger (3,3 Prozent) und Kohle (0,5 Prozent). Relevante Trends sind die überdurchschnittliche Nutzung von Kohle als Energieträger in den ersten beiden Einkommensdezilen und der deutliche Anstieg von alternativen Energieträgern mit höheren Einkommen. Insgesamt lässt sich auf eine generell geringe Relevanz von Kohle, selbst für niedrige Einkommensdezile, verweisen. Fernwärme ist vor allem in den Ostregionen (allen voran Wien) sowie Salzburg und Kärnten relevant, während die Nutzung von Gas und Heizöl eher im Westen verbreitet, insgesamt aber recht gleichmäßig über die Einkommensdezile verteilt ist. Wien bildet hier eine Ausnahme, da neben der großen Bedeutung von Fernwärme auch Gas eine wichtige Rolle spielt (Lechinger & Matzinger, 2020). Die Ziele der aktuellen Bundesregierung erscheinen in diesem Kontext ambitioniert. Um bis 2040 klimaneutral zu werden, soll ab 2035 nicht mehr mit Kohle oder Öl und ab 2040 auch nicht mehr mit Gas geheizt werden (Republik Österreich, 2020).

Die zentrale Herausforderung solcher Maßnahmen besteht darin, Zielkonflikte zwischen sozialen, ökologischen und ökonomischen Motiven zu moderieren, um einen möglichst breiten Konsens zu erreichen (Plumhans, 2021). Maßnahmen versuchen in diesem Kontext „ökologisch vorteilhaft“ und „sozial gerecht“ zu sein (Gough, 2017). In Österreich gelten thermische Gebäudesanierungen und ein Wechsel auf effizientere Heizsysteme gerade für einkommensschwache Haushalte als Chance, den überproportionalen Anteil der Energiekosten am Haushaltseinkommen zu senken (Energieagentur Steiermark, 2015). Maßnahmen der thermischen Gebäudesanierung erscheinen in diesem Kontext im Gegensatz zu erneuerbaren Energien oder Maßnahmen der Bewusstseinsbildung besonders geeignet, sozial-ökologische Ziele zu erreichen (Plumhans, 2021).

Des Weiteren ist die durchschnittliche Wohnfläche in Österreich seit 2009 um gut 5 Prozent auf 45,3 Quadratmeter pro Person gestiegen (Statista, 2021). Die sich verändernde Flächennutzung hat Relevanz, da jeder zusätzliche Quadratmeter beleuchtet, beheizt, möbliert etc. werden muss (Lehmphul, 2016). Außerdem haben wachsende Wohnflächen auch einen wichtigen indirekten Effekt. Aus Platzmangel in urbanen Räumen kann die gewünschte Steigerung der Wohnfläche besonders in dünn besiedelten, suburbanen oder ruralen Räumen stattfinden. Suburbanisierung und Zersiedelung sind die Folge, was sich in einem erhöhten Pendler_innenaufkommen widerspiegelt (Wagner, 2021). Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, in urbanen Räumen neuen Wohnraum durch Nachverdichtung zu schaffen, was vor allem in Wien in den letzten Jahren verstärkt in der Form von Dachgeschossausbauten geschehen ist. Allerdings wurden diese Ausbauten bereits 2001 von der Bundesregierung vom Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) ausgenommen. Der neu entstandene Wohnraum stellt somit eine exklusive Form verdichteter Bauweise dar und kann Verdrängungseffekte und räumliche Ungleichheiten verstärken (Friesenecker & Kazepov, 2021; Dlabaja, 2017; Reinprecht. 2017). Eine wichtige Maßnahme, die sowohl soziale und räumliche Ungleichheiten als auch Gebäudeemissionen und Zersiedelung reduzieren könnte, sind verstärkte Investitionen in den sozialen Wohnbau. Hierzu verweisen wir auf das Kap. 4 Wohnen.

17.4 Fördernde und blockierende Dynamiken, Institutionen und Akteur_innen

Eine vollständige Darstellung der Akteur_innen und Institutionen, die von sozialer und räumlicher Ungleichheit tangiert sind oder diese beeinflussen, ist kaum möglich, da soziale und räumliche Ungleichheit durch eine Vielzahl von Akteur_innen beeinflusst wird (von z. B. der Europäischen Zentralbank auf der Makroebene bis zu individuellen Präferenzen für Umverteilung auf der Mikroebene). Konsens herrscht darüber, dass die Reduktion der oberen Einkommen auf globaler und nationaler Ebene eine Grundbedingung zur Senkung klimaschädlicher Emissionen darstellt (Chancel, 2022; Sayer, 2016; Wiedmann et al., 2020). Konsens besteht auch darüber, dass klimaschützende Maßnahmen nicht zu Lasten wenig emittierender und einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen gehen sollten. Dies hängt je nach Maßnahme von einer Vielzahl von Akteur_innen und Institutionen ab. Im Folgenden soll dies exemplarisch für die Handlungsfelder Mobilität und Wohnen dargestellt werden.

Als erste wichtige Akteursgruppe können die Konsument_innen von Mobilität, also Nutzer_innen von Verkehrsmitteln, als wesentliche Akteur_innen identifiziert werden. Zusätzlich haben politische Entscheidungsträger_innen (z. B. im Verkehrs-, Klima- oder Finanzministerium, in der Gemeinde- und Stadtplanung oder der öffentlichen Verwaltung) eine tragende Rolle bei der Ausgestaltung und Implementierung umwelt- und sozialpolitischer Maßnahmen zur Förderung von zukunftsfähiger Mobilität und den dafür notwenigen (infra-)strukturellen Rahmenbedingungen (Fichert & Grandjot, 2016). Wie zuvor erläutert, ist die Wahl des primären Verkehrsmittels sozioökonomisch und räumlich beeinflusst. Verfügbarkeit und Leistbarkeit von Mobilität entscheiden darüber, welche primäre Mobilitätsform in unterschiedlichen räumlichen und sozialen Kontexten „ausgewählt“ wird. Wenn klimafreundliche Mobilitätsalternativen zum herkömmlichen PKW nicht verfügbar oder leistbar sind, kann auch keine Änderung des Mobilitätsverhaltens durchgesetzt werden (Sammer & Snizek, 2021; VCÖ, 2018).

Eine weitere wichtige Akteursgruppe lässt sich im Zusammenhang mit öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen und Organisationen identifizieren. Konkrete Beispiele sind neben rechtlichen Grundlagen und Regelungen (z. B. Österreichische Straßenverkehrsordnung (StVO)) öffentliche Institutionen wie die österreichische Raumordnung (z. B. Österreichische Raumordnungskonferenz – ÖROK, Siedlungsplanung). Von Bedeutung sind diese vor allem bei räumlichen Ungleichheiten in der Verfügbarkeit von Mobilitäts- und Versorgungsinfrastruktur. Die Planung eines flächendeckenden öffentlichen Verkehrssystems für alle sowie dessen rechtliche Verankerung in der österreichischen Raumordnung (Mobilitätsgarantie), ist ein wesentlicher Hebel zur Förderung klimafreundlichen Mobilitätsverhaltens [siehe dazu auch Kap. 6 Mobilität und Kap. 19 Raumplanung].

Interessenvertretungen in Politik und Gesellschaft, wie die Autolobby und Verkehrsclubs (z. B. ÖAMTC, ARBÖ, VCÖ) oder die Fahrradlobby (radlobby, ARGUS) können dabei Planungsentscheidungen hinsichtlich der Ausgestaltung (sozial-ökologischer) Bereitstellungssysteme im Verkehrssektor beeinflussen. Während Vertreter_innen der Automobil- und Betonindustrie den Ab- und Umbau fossiler Verkehrsstrukturen aus Eigeninteressen nicht unterstützen oder sogar blockieren, setzen sich andere, gemeinwohlorientierte Verkehrs- und Radclubs aktiv für die Förderung und den Ausbau zukunftsfähiger Mobilität ein (Haas & Sander, 2019).

Öffentliche und private Verkehrsdienstleister_innen und Verkehrsunternehmen (z. B. ÖBB, Wiener Linien, Verleihfirmen von Fahrrädern, Scootern und Anbieter_innen von Micro-ÖV-Systemen) sowie Verkehrsverbünde (z. B. VOR, OÖVV, SVV) zählen zu jenen fördernden Akteuren, welche klimafreundliche Mobilitätskonzepte praktisch umsetzen [siehe dazu auch Kap. 6 Mobilität].

Forschung und Wissenschaft bezüglich technologischer Innovationen zur Effizienzsteigerung im Verkehrs- und Energiesektor können die Umweltverträglichkeit dafür notwendiger Verkehrsmittel verbessern und so klimafreundliche Mobilität zusätzlich fördern [siehe dazu auch Kap. 13 Soziotechnische Innovationen].

Für das Handlungsfeld WohnenFootnote 16 sind auf zunächst die Haushalte, also die Bewohner_innen zu betrachten. Es ist zwischen Eigentümer_innen und Mieter_innen zu unterscheiden. Wie bereits erwähnt, haben Bewohner_innen im Mietverhältnis kaum bis gar keinen Einfluss auf ihre Heizsysteme (Allinger et al., 2021). Ein gewisser Handlungsspielraum besteht zwar durch Selbstregulierung des eigenen Energieverbrauchs. Eigentumsverhältnisse beschränken jedoch die Handlungsfähigkeit, klimafreundlich zu wohnen. Sie stellen ein sozial ungleich verteiltes Strukturmerkmal klimafreundlichen Lebens dar (Friesenecker & Kazepov, 2021). Ohne entsprechende Fördermaßnahmen gibt es auch für die meisten Eigentümer_innen eine De-facto-Barriere bei der Sanierung des Eigenheims (IIBW, 2019). Bestehende Infrastrukturen vereinfachen einen Umstieg auf z. B. Fernwärme oder alternative Energieträger. Hier kommt den Energieversorgern eine tragende Rolle zu. Ob es sich wie in den meisten Bundesländern um Aktiengesellschaften handelt (z. B. Energie AG Oberösterreich, EVN AG oder KELAG) oder, wie in Wien (Wien Energie), um kommunale Dienstleister, hat einen Einfluss auf die politische Steuerungsmöglichkeit (IIBW, 2019). Die Handlungsfähigkeit der Haushalte (Mikroebene) ist beim Thema Wohnen und Heizen daher stark eingeschränkt und verläuft entlang sozialer Trennlinien.

Eine weitere wichtige Dimension stellen die relevanten Institutionen und die entsprechenden Gesetze und die in diesem Zusammenhang relevanten Akteur_innen eingegangen werden. Das Mietrechtgesetz liegt in der Kompetenz des Bundes und legt gesetzlich fest, dass Gebäudesanierungen aus der Mietzinsreserve finanziert werden sollen. Allerdings fallen nach 1945 errichtete Wohngebäude sowie Ein- und Zweifamilienhäuser nur teilweise bzw. gar nicht in den Anwendungsbereich (Rosfika, 2020). Auf letztere entfallen jedoch ca. 70 Prozent aller Gebäudeemissionen in Österreich, was die Wirkung eines solchen Gesetzes stark einschränkt (IIBW, 2019). Dieselbe Problematik trifft auf das Wohneigentumsgesetz zu. Ebenfalls in den Geltungsbereich des Bundes fällt das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG). Der gemeinnützige Sektor wird oft als vielversprechender Akteur dargestellt, um Wohnen ökologisch nachhaltiger und sozial inklusiver zu gestalten (Litschauer et al., 2021). Allerdings können im WGG verankerte Mechanismen, wie z. B. hohe Anzahlungen, als Barriere für einkommensschwache Haushalte wirken und eine marginalisierende Wirkung entfalten; die Möglichkeiten eines klimafreundlichen Lebens also wiederum entlang sozialer Trennlinien strukturieren (Friesenecker & Kazepov, 2021; Kadi, 2015). Schließlich regelt das Heizkostenabrechnungsgesetz (HeizKG) die Aufteilung von Heizkosten im mehrgeschoßigen Wohnbau. Laut Rosifka (2020) kommt es aufgrund von Intransparenz zu unklaren Rechtssituationen für Mieter_innen, welche sich räumlich (Mehrgeschoß hauptsächlich in Städten) und sozial (Mieter_innen grundsätzlich mit weniger verfügbarem Einkommen) entfaltet. Weitere wichtige Instrumente bzw. gesetzliche Vorgaben sind die Wohnbauförderung und die Bauordnung. Diese befinden sich in der Kompetenz der Bundesländer. Während die Wohnbauförderung das zentrale Instrument zur Schaffung von Neubau in Österreich ist (Kadi, 2019), werden Gebäudestandards und Sanierungsregelungen in der Bauordnung geregelt. Die Wohnbauförderung ist geeignet, über Standards für Fördermittel ökologisch nachhaltigen Neubau zu schaffen (Litschauer et al., 2021). Allerdings wird sie nicht als ideales Instrument gesehen, um den rasant steigenden Mieten im Neubau oder den explodierenden Eigentumspreisen Einhalt zu gewähren (Kadi, 2019). In der Bauordnung hingegen gelten nicht für alle Gebäudetypen und Eigentumsverhältnisse einheitliche Umweltstandards (Rosfika, 2020). Wichtige Akteure sind außerdem das Baugewerbe und insbesondere Projektentwickler_innen und Bauträger. Des Weiteren spielen auch die Sozialpartner (insbesondere die Arbeiterkammer), Mietervereinigungen, Gewerkschaften und NGOs eine wichtige Rolle. Während hier die Wohnungsfrage zumeist als „soziale Frage“ gedacht wird, hat die Ökologisierung in der Vergangenheit an Bedeutung gewonnen (IIBW, 2019).

Schlussendlich stellen (internationale) Investoren eine wichtige Akteursgruppe dar. Wenn Wohnraum entsprechend den Bedürnissen dieser Gruppe kommodifiziert wird, also nur mehr als Vehikel zur Akkumulation von Vermögen fungiert, verliert es seine eigentliche Funktion – die eines Rückzugraumes, als Schutz vor der Außenwelt, als Ort sozialer Reproduktion usw.Footnote 17 Kommodifizierter Wohnraum tendiert auch dazu, ökologisch weniger nachhaltig zu sein [siehe Kap. 4 Wohnen]. Selbst in Ländern, die von Wohnraumspekulation traditionell weniger betroffen waren, hat sich seit der globalen Finanzkrise eine Kapitalflucht ins „Betongold“ gezeigt. Institutionelle Investoren ersetzen kommunale Wohnungsversorger und Privatpersonen als Vermieter_innen und werden so zu zentralen Akteuren der Wohnraumbereitstellung (Wijburg & Aalbers, 2017). Auch wenn dieser Trend in Österreich aufgrund eines konservativen Bankenwesens und der starken Rolle kommunaler und gemeinnütziger Wohnungsanbieter bislang abgefedert werden konnte, steigen Angebotsmieten und Eigentumspreise rasant (Springler & Wöhl, 2020). Die resultierenden Neubauprojekte sind zwar durchaus ökologisch ambitioniert und ermöglichen ihren Bewohner_innen ein klimafreundliches Leben. Allerdings sind solche Quartiere für Haushalte mit unterdurchschnittlichen Einkommen kaum zugänglich (Bärnthaler et al., 2020).

17.5 Gestaltungsoptionen und Handlungsmöglichkeiten

In diesem Kapitel gehen wir kurz auf unterschiedliche Gestaltungsoptionen klimafreundlicher Maßnahmen mit direktem Bezug zu sozialer und räumlicher Ungleichheit ein. Deren Verteilungswirkungen haben einen großen Einfluss auf soziale und politische Akzeptanz.

Allgemein (und unter Ceteris-paribus-Bedingungen) scheinen egalitäre Gesellschaften eher klimafreundlicher zu sein (Dorling, 2017), wobei die kausalen Zusammenhänge noch nicht ausreichend erforscht sind und auch vom durchschnittlichen Einkommensniveau abhängen (Grunewald et al., 2017). Statuswettbewerb ist in ungleichen Gesellschaften höher und, da Statuswettbewerb in kapitalistischen Gesellschaften vor allem durch Besitz von Gütern und Dienstleistungen ausgetragen wird, führt zu höherem Konsum (Wiedmann et al., 2020; Wilkinson & Pickett, 2010). Außerdem scheint Ungleichheit zu einer Reihe von wohlfahrtsreduzierenden Effekten und damit erhöhten Sozialausgaben zu führen, die für Investitionen in klimaschützende Maßnahmen fehlen. Unter der Annahme, dass der Zusammenhang zwischen Ungleichheit und klimaschädigendem Verhalten existiert, würde eine Reduktion der Ungleichheit zu einer Verbesserung des Klimas führen. Ungleichheit kann reduziert werden, indem untere Einkommen erhöht und/oder hohe Einkommen reduziert werden. In Ländern, in denen der CO2-Verbrauch auch in den untersten Einkommensdezilen 2,7 Tonnen CO2 pro Jahr übersteigt (wie es in Österreich und den meisten anderen Ländern des Globalen Nordens der Fall ist), wird von vielen die Reduzierung der Top-Einkommen und des Reichtums als erster Schritt propagiert (Sayer, 2016; Schürz, 2019; Theine & Taschwer, 2021). Da hohe Einkommen vor allem auf Rentenabschöpfung basieren (Bivens & Mishel, 2013; Piketty, 2014; Stiglitz, 2012) wird eine höhere Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen bei gleichzeitiger Schließung von Steuerschlupflöchern (z. B. sogenannter Steueroasen) keine oder geringe Auswirkungen auf die Makroökonomie haben (Piketty et al., 2014). Eine Reduktion sehr hoher Vermögen und/oder Einkommen verhindert, dass sehr vermögende Menschen extrem klimaschädlich agieren, da sie weder in Privatraketen, Privatjets, Privatyachten, Supercars, überdurchschnittlich große Immobilien, klimaschädliches Finanzkapital etc. investieren können.

Um die Reduktion von Emissionen durch Umverteilung von Reichtum zu erzielen, schlagen Theine und Taschwer (2021) zwei konkrete Maßnahmen vor: (1) Eine höhere Besteuerung extremer Vermögen: Hier wird vorgeschlagen, dass Österreicher_innen mit einem Nettovermögen von fünf Millionen Euro 10 Prozent, ab 100 Millionen Euro 30 Prozent und alles über einer Milliarde einen Beitrag von 60 Prozent leisten. Das würde die 10.000 reichsten Menschen in Österreich betreffen (oder etwas mehr als 0,1 Prozent der Bevölkerung). Unter der Annahme, dass Abwanderung in Steueroasen verhindert werden kann, würde das einmalig 70 bis 80 Milliarden Euro staatlicher Mehreinnahmen bedeuten, die zweckgebunden in erneuerbare Energiequellen, Umstellung der Heizungssysteme oder Ausbau des Schienenverkehrs investiert werden könnten.Footnote 18 Teilweise würden daher die Einnahmen wieder an jene Unternehmen (und deren Besitzer_innen) zurückfließen, die sich im internationalen, ökowirtschaftlichen Wettbewerb als innovativ und effizient erweisen, während jene, die weiterhin im umweltverschmutzenden Gewerbe agieren, verlieren würden [vgl. Kap. 2 Innovationsperspektive]. Maximale Obergrenzen für Vermögen können demnach eine gewichtige Rolle bei der Schaffung klimafreundlicher Strukturen spielen (Koch & Buch-Hansen, 2019; Schürz, 2019; Wiedmann et al., 2020). (2) Angesichts der Klimakrise sollte durch Reichtumsobergrenzen, die definieren, wie viel Vermögen eine Person besitzen kann, der Konsum permanent reduziert werden (Buch-Hansen & Koch, 2019; Theine & Taschwer, 2021).

Eine weitere Gestaltungsoption stellen sogenannte „pollution top-ups“ dar (Chancel, 2022). Hier soll der Besitz von Assets in der Öl-, Gas- und Kohleindustrie zusätzlich besteuert werden, um die Finanzierung von alternativen Energiequellen und den Ausstieg aus fossilen Brennstoffindustrien zu fördern. Zusätzlich sollen neue fossile Brennstoffinvestitionen verboten und Subventionen des Sektors eliminiert werden. Das würde auch eine strikte Regulierung von stark verschmutzenden Konsumausgaben (SUV, Flugticketpreise) und die Einführung persönlicher Kohlenstoffbudgets beinhalten. In Kombination mit einer Vermögensteuer und Vermögensobergrenzen könnte dies zu einer Reduktion von Emissionen durch Konsumvermeidung, aber auch zu einer Verschiebung von Investitionen in umweltfreundlichere Aktivitäten und/oder zur Verbesserung von industriellen Prozessen durch Investitionen in neue Prozesstechnologien führen (siehe dazu Creutzig et al. (2018) zum „avoid-shift-improve framework“).

Eine andere Möglichkeit der Umverteilung ist die Anhebung des Einkommensniveaus der unteren Einkommensschichten, um sozial nichtnachhaltigen Unterverbrauch („underconsumption“) in verarmten Ländern und Nachbarschaften zu adressieren und Bewohner_innen ein Leben ohne Armut und über einer sozial definierten unteren Wohlstandsgrenze zu ermöglichen (Di Giulio & Fuchs, 2014; Spangenberg, 2014). Diese Maßnahme erscheint vor allem im Globalen Süden unerlässlich. Im Globalen Norden zeichnet sich jedoch ein aus klimapolitischer Sicht differenzierteres Bild. Während monetäre Kompensationszahlungen kurzfristig notwendig sein werden, um soziale Akzeptanz für klimafreundliche Politik (z. B. CO2-Steuern) zu generieren, kann eine Erhöhung der Einkommen zu Rebound-Effekte durch erhöhten Konsum führen, die aufgrund der hohen Pro-Kopf-Einkommen (und damit Pro-Kopf-Emissionen) mittel- bis langfristig nicht nachhaltig sind. Im Fall einer CO2-Steuer analysieren Humer et al. (2021) folgende mögliche Rückvergütungsszenarien und Entlastungsmaßnahmen: (1) ein einkommensabhängiger Ökobonus mit Kinderzuschlag, (2) die Senkung des Krankenversicherungs-Beitragssatzes, (3) die Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer und eine Anhebung der Negativsteuer sowie (4) eine Ausweitung und Umgestaltung der Pendlerpauschale und (5) die Einführung eines bundesweiten Heizkostenzuschusses. Diese Maßnahmen sollen einerseits die notwendigen Lenkungseffekte verstärken und andererseits nicht durch eine fehlende soziale Abfederung gefährden. Aus verteilungspolitischer Sicht würden Optionen (1) und (5) (wenn der Heizkostenzuschuss auf jene Haushalte limitiert ist, die unter der Mindestsicherungsgrenze liegen) vor allem den ärmeren Haushalten zugutekommen, während die Optionen (2) und (3) vor allem höhere und mittlere Einkommen begünstigen. Möglichkeit (4) fördert vor allem mittlere und höhere Einkommen mit weiten Pendlerstrecken. Außerdem ist fraglich, ob bei einer Förderung langer Pendlerstrecken die erwünschten Anreizwirkungen einer ökosozialen Steuerreform noch gegeben sind (Humer et al., 2021). Die beiden Umverteilungsalternativen würden der „Floor-and-ceiling-Strategie“ von nachhaltigen Konsumkorridoren entsprechen (Gough, 2017).

Es wird also vermehrt darauf hingewiesen, dass eine mögliche CO2-Steuer von Förderungen und Anpassungsinvestitionen wie z. B. den Umstieg auf nichtfossile Fortbewegungsmittel, Umstellung von Heizsystemen etc. komplementiert werden sollte. Allerdings besteht die Gefahr, dass wohlhabendere Haushalte von diesen Subventionen (z. B. Elektroautos) stärker profitieren, obwohl sie diese Unterstützung vielleicht gar nicht benötigen (Bernhofer, 2019). Um sowohl negative Verteilungseffekte zu vermeiden als auch positive Lenkungseffekte zu erzielen, sind aus der Bereitstellungsperspektive Investitionen in die entsprechende Infrastruktur und der Ausbau und die Förderung von klimaverträglichen und leistbaren Alternativen, wie dem öffentlichen Verkehr oder effizienten Heizsystemen, notwendig (Bernhofer, 2019; Mayer et al., 2019; Rocha-Akis et al., 2019) [siehe auch Kap. 18 Soziale Sicherungssysteme]. Wesentliche (infra-)strukturelle Änderungen und Anpassungen zusätzlich zu einer CO2-Bepreisung beinhalten unter anderem den Ausbau von multifunktionalen Gebäuden, Verschränkte Mobilität, Integrierte Netze und eine Circular Economy (Dabrowski et al., 2020). Diese Anpassungen werden einerseits durch neue Innovationen (selbstfahrende Fahrzeuge, IT, Recyclingprozesse etc.) ermöglicht und verbessert, führen aber durch „demand-pull“ gleichzeitig zu erhöhter Innovationstätigkeit [siehe dazu Kap. 2 Innovationsperspektive] (Mowery & Rosenberg, 1979; Rosenberg, 1982).

Aufgrund der unterschiedlichen lokalen Bedingungen (Zugang zu unterschiedlichen lokalen nichtfossilen Energiequellen; (nicht-)vorhandene Verkehrsinfrastruktur; Quantität und Qualität des Wohnraumes und zur Verfügung stehende Heizsysteme) sollten Maßnahmen immer lokal abgestimmt werden (Essletzbichler, 2012). Hackschnitzelheizungen könnten in der Steiermark und Kärnten ausbaufähig sein (Späth & Rohracher, 2010, 2012), während der Anschluss an das Fernwärmesystem für Wiener Wohnungen eine bessere Option sein kann. Ein österreichweites Klimaticket kann Pendler_innen mit einem guten öffentlichen Transportanschluss vom privaten auf den öffentlichen Verkehr umlenken, aber für Bewohner_innen von Gegenden ohne Zugang zu öffentlichem Verkehr ist diese Maßnahme irrelevant. Dort könnten E-Car-Sharing-Systeme, öffentliche Ruftaxisysteme oder Subventionen von Elektrorädern eine bessere Option der Emissionsreduktion darstellen. Zusätzlich müssen hier die Governance- und Raumordnungsstrukturen derart angepasst werden, dass klimafreundliches Leben auf allen Maßstabsebenen (von EU bis Gemeinde) effektiv gefördert werden kann und politisch durchsetzbar ist [siehe auch Kap. 12 Governance und politische Beteiligung und Kap. 19 Raumplanung].

Es zeigt sich außerdem, dass die gemeinsame Anwendung der Perspektiven von Markt (Steuer), Bereitstellung (zweckgebundene Investitionen der Einnahmen in öffentliche, klimafreundlichere Infrastruktur), Innovation (verstärkte Investitionen in neue Prozesstechnologien) und Gesellschaft (Änderung sozialer Normen, um Statuswettbewerb von Konsum zu entkoppeln) zu effektiveren und schneller greifenden Lösungen führen kann. Markt- und innovationsbasierte Maßnahmen sind dabei mit den vorherrschenden sozioökonomischen Rahmenbedingungen und daraus resultierenden individuellen Präferenzen und Verhaltensmustern gut kompatibel. Die Verschiebung von Steuereinnahmen von privatem Einkommen zu öffentlich bereitgestellter Infrastruktur und die Entkopplung der gedanklichen Assoziation von gutem Leben und Konsum verlangt jedoch einen langfristigen, gesellschaftlichen Wandel. Verzicht und Selbstlimitierung auf individueller Ebene zu akzeptieren und auf gesellschaftlicher Ebene politisch durchsetzen zu können, stellt hierbei eine besondere Herausforderung dar, da materielles Wachstum seit der Nachkriegszeit verstärkt in den Köpfen der Menschen verankert wurde (Horkheimer & Adorno, 1944). Um breite Akzeptanz zu erzeugen, müssten die positiven erweiterten Einkommenseffekte (z. B. durch das Wegfallen von Anschaffungs- und laufenden Kosten für ein Privatauto) klar kommuniziert werden. Dafür bedarf es einer Diskursverschiebung weg von vermeintlichen Vorteilen des Wachstums, primären Einkommen, Privatkonsum und der Erfüllung unlimitierter Wünsche hin zu universalen Grundbedürfnissen und einem Wohlstandskonzept, in dem Befähigungs- und Verwirklichungschancen für alle gegeben sind (Gough, 2017; Hickel, 2021; Hinkel et al., 2020; Nussbaum, 2011; O’Neill et al., 2018; Sen, 1999).