Vom Kanzlerduell zu den TV-Triellen

Die Kanzler:in-Debatten als Kommunikationsformat im Mehrparteiensystem

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Die Bundestagswahl 2021

Zusammenfassung

Der Beitrag setzt mit der Organisation der Fernsehdebatten zur Bundestagswahl auseinander. Während seit 2002 im so genannten „Kanzlerduell“ die Kandidat:innen von CDU/CSU und SPD aufeinandergetroffen waren, hat sich im Wahljahr 2021 durch die guten Prognosen für Bündnis90/Die Grünen die Notwendigkeit eines „Triells“ ergeben. Somit erfährt die Situation in Deutschland in gewisser Weise eine Anpassung an internationale Standards – in Mehr- bzw. Vielparteiensystemen dürfen sich oftmals Vertreter:innen von mehr als zwei Parteien Hoffnungen auf die Regierungsführung machen – dies spiegelt sich entsprechend in den für die TV-Debatten gewählten Kommunikationsformaten wider. Allerdings zeigt ein internationaler Vergleich, dass es noch kaum gesetzlich verregelte Verfahren zur Umsetzung dieser hochprominenten Formate der Wahlkampfkommunikation gibt. Aus der rechtlichen Unsicherheit heraus resultieren immer häufiger Ungleichheiten in Bezug auf die Sichtbarkeit von Kandidat:innen, was auch Auswirkungen auf den Parteienwettbewerb haben kann. Für den deutschen Fall sind daher normative Überlegungen zur Rolle von TV-Debatten zwischen Kanzler- und Parteiendemokratie notwendig.

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Notes

  1. 1.

    Auch in der Debatte der Kandidaten für die Vizepräsidentschaft waren mit Al Gore (D), Dan Quayle (R) und James Stockdale (I) drei Personen am Start. Vgl. https://www.debates.org/debate-history/1992-debates/.

  2. 2.

    In diesem Jahr fand keine Debatte der Vizepräsidenten statt, vgl. https://www.debates.org/debate-history/1980-debates/.

  3. 3.

    Eine ähnliche Rolle hatte in den USA der Debattenjahrgang 1976: Hätte Jimmy Carter als incumbent nicht an den Debatten teilnehmen wollen, wäre die 16-jährige Pause nach den legendären Kennedy-Nixon-Debatten von 1960 wohl kaum beendet worden (vgl. Schroeder 2016, 2021).

  4. 4.

    Die Ausnahme von 2013 geht auf den massiven Absturz des „kleinen“ Koalitionspartners von 2009 zurück – die FDP verlor beinahe 10 % ihrer Stimmanteile, wovon vor allem die Merkel-CDU mit einem Plus von 7,7 % profitierte und der kumulierte Anteil der Volksparteien nocheinmal deutlich über die 60 %-Marke steigen konnte (vgl. Jesse 2021, S. 41).

  5. 5.

    Blickt man auf die Entwicklungen in den Bundesländern, so zeigen sich hier noch zahlreiche weitere Konstellationen, auf die insbesondere mit Blick auf die in den Länderwahlkämpfen organisierten Duell-Formationen hier nicht weiter verfolgt werden können. Einen Eindruck von der Debatten-Vielfalt eröffnet die „bunte Koalitionsrepublik Deutschland“ mit ihren zahlreichen Koalitionsmodellen auf Länderebene (vgl. Switek 2017).

  6. 6.

    Die wesentlichen Rahmenbedingungen entwickeln sich in Großbritannien gegenläufig: zwar differenziert sich das Parteiensystem (trotz Mehrheitswahlrecht) zunehmend aus, doch führt die gesellschaftliche Polarisierung zu einer Beschneidung der BBC als nur noch eingeschränkt funktionstüchtigem public service-Anbieter. Zu erwarten ist daher eine Stärkung der kommerziellen Medienunternehmen, insbesondere in digitalen Umgebungen.

  7. 7.

    In eine solche Modellierung einzubeziehen wären jedoch auch die denkbaren Regierungskonstellationen. Zudem ist zu überprüfen, inwiefern die „Vereinzelung“ der Spitzenkandidat:innen in Zweier-Gesprächen zu einer Abwertung von Fragen zu Koalitionsoptionen führen.

  8. 8.

    Die Sendungen dauerten 76 Minuten („Vierkampf“) bzw. 90 Minuten („Schlussrunde“) und sind in den entsprechenden Mediatheken abrufbar. Thematisch gab es zumindest in Teilen eine gewisse Aufteilung, als gemeinsamer Nenner fungierten neben Fragen zur Koalitionsbildung vor allem Gesprächspassagen zu Corona- und Klimakrise.

  9. 9.

    Vor allem der stockende Unionswahlkampf hatte die Situation zwischenzeitlich noch weiter verändert – neben einem „Führungswechsel“ in den Umfragen hin zur SPD und einem schleichenden Verlust von Zustimmung für die Grünen war die FDP dem Führungstrio so nahegekommen, dass vereinzelt Christian Lindner als vierter Teilnehmer der Spitzengespräche ins Spiel gebracht wurde.

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Bieber, C. (2022). Vom Kanzlerduell zu den TV-Triellen. In: Korte, KR., Schiffers, M., von Schuckmann, A., Plümer, S. (eds) Die Bundestagswahl 2021. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35758-0_21-1

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