Part of the book series: Phaenomenologica ((PHAE,volume 159))

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Zusammenfassung

Bisher haben wir ausschließlich die Brentanosche Theorie der Vorstellung besprochen. Jetzt müssen wir diese Auslegung in Beziehung zu seiner Urteilstheorie setzen. Die Vorstellung, obwohl sie den grundlegenden psychischen Akt bildet, erweist sich nämlich, wie wir noch sehen werden, in ihrer intentionalen Funktion als wesentlich unselbständig. Erst im Rahmen einer weiteren Struktur, die aus einer Verbindung einer Vorstellung mit einem Urteil besteht, kann eine Vorstellung als Moment eines intentionalen Aktes realisiert werden. Eine Vorstellung ist nach Brentano ein psychischer Akt, der gegenüber der Frage der Existenz ihres Objekts völlig neutral bleibt. Da erst auf der Ebene des Urteils das Problem der Wahrheit auftaucht, müssen wir seine Theorie der Intentionalität des Urteils im engsten Zusammenhang mit seiner Wahrheitslehre untersuchen.

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Literatur

  1. Die Abschnitte 2.1–2.6 dieses Kapitels entsprechen teilweise dem Artikel Chrudzimski 1999c und dem Vortrag Chrudzimski 2000a.

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  2. Diese Aufteilung finden wir schon in einem Brief an Stumpf vom 8. Mai 1871. Vgl. Brentano 1989, S. 18.

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  3. Zur Zeit der Psychologie glaubte Brentano noch, daß alle psychischen Phänomene (darunter auch Urteile) eine gewisse Intensität aufweisen. Später verwirft er diese Auffassung und behauptet, daß man von einer solchen Intensität eigentlich nur bei Empfindungen sprechen darf. Die Intensität in diesem Sinn kann weder den begrifflichen Vorstellungen noch den Urteilen zugeschrieben werden. Vgl. Brentano 1979, S. 79.

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  4. Vgl. „[I]n Wahrheit besteht hinsichtlich des Inhaltes nicht der geringste Unterschied. Der Bejahende, der Verneinende und der ungewiß Fragende haben denselben Gegenstand im Bewußtsein; der letzte, indem er ihn bloß vorstellt, die beiden ersten, indem sie ihn zugleich vorstellen und anerkennen oder verwerfen. Und jedes Objekt, das Inhalt einer Vorstellung ist, kann unter Umständen auch Inhalt eines Urteils werden.“, Brentano 1874/1925, S. 63. „So wenig also ein Unterschied der Intensität, so wenig kann ein Unterschied des Inhaltes es sein, was die Eigentümlichkeit des Urteils gegenüber der Vorstellung ausmacht. Somit bleibt nichts anderes übrig als, wie wir es getan, die Eigentümlichkeit des Urteils als eine Besonderheit in der Beziehung auf den immanenten Gegenstand zu begreifen.“, Brentano 1874/ 1925, S. 64 f. „Weder die Annahme einer verschiedenen Intensität, noch die Annahme eines verschiedenen Inhaltes für die bloße Vorstellung und das Urteil ist haltbar.“, Brentano 1874/1925, S. 70.

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  5. In seinen Anmerkungen zur Begriffsschrift Freges (in: Frege 1897 [2. Aufl. 1964], S. 117–121) schreibt Husserl bezüglich der Fregeschen Interpretation der materialen Implikation: „’Wenn B ist, so ist A’ = Es ist nicht (B+ und A-) = -(B+, A-). (Das ist die ältere Brentano’sche Reduktion.)“, Frege 1897, S. 119.

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  6. In seinem Brief an Kraus vom 14. September 1909 kritisiert Brentano die Theorie der Psychologie wegen dieser Konsequenz. Vgl. Brentano 1977, S. 201 f.

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  7. Die erste offizielle Information finden wir in einer Fußnote zur 2. Auflage der Abhandlung Miklosich über subjektlose Sätze (zusammen mit dem Vortrag Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis). Vgl. Brentano 1883/1925, 193 f. (die Fußnote von 1889). Schon am 15. Februar 1886 schreibt jedoch Brentano an Marty (in einem unpublizierten Brief): ,»Es gibt auch Fälle von besonderen Urteilen, welche von anderen Urteilen untrennbar sind, z.B. Ein Mensch ist nicht gesund. Dieser Satz ist - ich habe Ihnen dies mündlich, glaube ich, begründet - der Ausdruck eines mehrfachen Urteilen 1.) ein Mensch wird anerkannt und 2.) von ihm die Gesundheit geleugnet. Diese Leugnung läßt sich nicht von jener Anerkennung trennen. Wenn Sie es versuchen, erhalten Sie ein allgemeines und nicht das hier gegebenen partikuläre negative Urteil.“

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  8. Vgl. „Die einfache Verwerfung von etwas kann in der Tat nicht Quelle der negativen Begriffe wie: Nichtmensch, unfruchtbar, nichtlebendig (leblos) sein. Der Begriff nichtlebendig kann nur durch Reflexion auf ein Doppelutrteil gewonnen werden. [...] Die Bildung solcher Negative setzt also allerdings Doppelurteile voraus.“, Marty 1894, S. 71.

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  9. Mit dem Vorbehalt, daß die innere Wahrnehmung, die nach Brentano jeden psychischen Akt, also a fortiori eine solche isolierte Vorstellung, begleiten muß, ein (affirmatives und evidentes) Urteil involviert. Mehr werden wir darüber im nächsten Kapitel sagen.

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  10. Das ist eine These, die Brentano immer vertreten hat. Es gibt jedoch Manuskripte, in denen Brentano eine Auffassung erwägt, die in jede Vorstellung eine urteilsähnliche Anerkennung des Objekts einbaut. Nach dieser Lehre würde also jede Vorstellung gewissermaßen ein anerkennendes Urteil involvieren. Vgl. Brentano 1903/1987. Diese Auffasung erwägt Brentano auch in einigen anderen Manuskripten, die in der Periode 1902–1905 geschrieben wurden. Vgl. dazu Brandi 1987, S. 20 (Fußnote). Vgl. dazu auch Kraus 1919, S. 25.

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  11. Wir lassen hier die Lehre von den unvollständigen Objektiven, die im Rahmen der Theorie Meinongs die gegenstandstheoretische Grundlage für die Wahrscheinlichkeitsrechnung bildet, beiseite. Die Urteile, die als ihre gegenständlichen Korrelate solche unvollständigen Objektive haben, sind nach Meinong

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  12. weder wahr noch falsch, sondern (in einem gewissen Grad) wahrscheinlich. Vgl. dazu Meinong 1915; Smith 1996.

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  13. Eine ähnliche vierteilige Ontologie haben Twardowski und Meinong postuliert. Vgl. Twardowski 1894, S. 36; Meinong 1904, S. 489 f.; Meinong 1899, S. 394 f. Alle Irrealia Brentanos nennt Meinong ideale Gegenstände und sagt, daß sie im Gegensatz zu den realen nicht existieren, sondern bestehen können. Die immanenten Objekte situiert Brentano im Quadrat der existierenden irrealen Entitäten. Meinong klassifiziert sie jedoch als bloß pseudo-existierend, was bedeutet, daß es sie überhaupt nicht (nicht einmal im Meinongschen Sinne) gibt und daß die (scheinbare) Referenz auf solche Entitäten eine irreführende Redeweise ist. Vgl. Meinong 1899, S. 383.

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  14. Dieser Meinung ist z.B. Marty 1908, S. 317.

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  15. Marty (1908, S. 391, 399) spricht von solchen immanenten propositionalen Inhalten, allerdings nur um ihre Fiktivität zu betonen, obwohl er die transzendenten propositionalen Inhalte zugleich für unentbehrlich hält. Er führt übrigens nur die bestehenden propositionalen Inhalte ein. Stumpf hingegen nimmt ausschließlich immanente propositionale Inhalte an. Vgl. dazu Stumpf 1907, S. 32; Smith 1996, S. 329 f.

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  16. Der späte Brentano kritisiert in einem Brief an Oskar Kraus diese Konsequenz der Lehre von den propositionalen Inhalten. Vgl. Brentano 1977, S. 302.

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  17. Srzednicki betont diesen ad hoc Charakter der Brentanoschen Lehre von den propositionalen Inhalten, die im Wahrheitsvortrag zu finden ist. Vgl. Srzednicki 1965, S. 29.

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  18. Dieser Meinung ist Armstrong. Vgl. dazu Armstrong 1997. Die Vorgeschichte des Problems bilden die klassischen Stellen der Wissenschaftslehre, wo Bolzano von den Sätzen an sich handelt. Vgl. Bolzano 1837, Bd. I, § 19. Die vergessenen Ursprünge der Problematik können bei Stoikern gesucht werden. Sie haben von den nicht-körperlichen Bedeutungen (darunter auch von den Bedeutungen von ganzen Sätzen) unter dem Namen „Lekton“ gesprochen. Vgl. dazu Bochenski 1970, S. 127 f.

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  19. Im Manuskript steht an dieser Stelle das Wort „falsch“, was jedoch offensichtlich ein Schreibfehler ist.

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  20. Brentano definiert diesen Begriff folgendermaßen: „Unter der [unfertigen Wirklichkeit] verstehe ich eine Seinsbestimmung, welche eine stetige Veränderung ist z.B. örtliche Bewegung, Ausgedehnt werden u. dgl. Sie sind unvollendete Wirklichkeiten, weil sie, auch wenn sie sind, immer gewissen Teilen nach nicht sind.“, Brentano M 96, S. 31769.

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  21. Brentano erwägt eine spezielle Form des hypothetischen Urteils, nämlich: „Wenn A nicht ist, dann ist B“. Die Wahrheitsbedingungen eines solchen Urteils fallen mit den Wahrheitsbedingungen des disjunktiven Urteils: „Entweder A ist, oder B ist“ zusammen. Beide Urteile sind dann und nur dann wahr, wenn entweder die Vorstellung von A oder die Vorstellung von B mit der Realität übereinstimmt.

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  22. Vgl. auch: „’Wahres Urteil’ ist äquivok. Im ursprünglichen Sinne heißt es soviel wie evidentes; in übertragenem Sinne aber wird auch blindes, das mit einem evidenten in allen anderen Stücken übereinstimmt, wahr genannt.“, Brentano 1970, S. 150.

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  23. Im Besonderen läßt sie sich „theologisch“ umdeuten, und sogar für eine Art des ontologischen Beweises der Existenz von jemandem, der mit Evidenz urteilt, verwenden. Erwägen wir nur den Satz: „Es gibt jemanden, der mit Evidenz urteilt.“ Es ist ganz klar, daß dieser Satz von jemandem, der darüber mit Evidenz urteilt, anerkannt werden müßte. (Denn mindestens er selbst urteilt doch mit Evidenz.) Dies bedeutet aber, (i) daß nach der Brentanoschen Definition dieser Satz wahr sein muß, und, was noch mehr sagen will, (ii) daß seine Wahrheit gewissermaßen aus der bloßen Bedeutung der Termini folgt und in diesem Sinne analytisch ist. Brentano hat in der Tat die Existenz eines allwissenden Gottes immer anerkannt, und glaubte sogar diese Existenz bewiesen zu haben. Vgl. dazu vor allem Brentano 1929/1980. In einem unpublizierten Manuskript schreibt Brentano: „Richtig denkend ist, wer etwas so denkt, wie ein Wesen, das nur evident denken kann, es denken würde [...].“, Brentano M 36, S. 2. Vgl. dazu auch Chisholm 1986, S. 40. (Brentano glaubte übrigens, daß dank der Möglichkeit eines ratio-nalen Beweises der Existenz Gottes die Religion gewissermaßen überflüssig wird. Vgl. Brentano 1954, S. 71. Zum tieferen Verständnis des Verhältnisses Religion-Philosophie bei Brentano vgl. Tiefensee 1998.)

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  24. Vgl. „Alle unsere Begriffe werden entweder unmittelbar einer Anschauung entnommen oder aus Merkmalen, die dieser entnommen sind, kombiniert.“, Brentano 1976, S. 3. In der Abhandlung Sprechen und Denken (1905) betrachtet Brentano die These, „daß alle unsere Begriffe aus Anschauungen (aus der äußeren oder inneren Wahrnehmung) stammen“, als die grundlegende Wahrheit. [Brentano 1977, S. 329] Geach nennt eine solche Lehre „Abstraktionismus“. Vgl.: „I shall use ’abstractionism’ as a name for the doctrine that a concept is acquired by a process of singling out in attention some one feature given in direct experience - abstracting it - and ignoring the other features simultaneously given - abstracting from them.“, Geach 1971, S. 18. Geach hält diese Position für verfehlt. Vgl. „My own view is that abstractionism is wholly mistaken; that no concept at all is acquired by the supposed process of abstraction.“, ibid. Vgl. auch seine Kritik dieser Lehre, ibid., S. 22–44.

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  25. Ein gutes Beispiel dieser Auffassung stellt die Philosophie Dummetts dar. Vgl. „[T]he notion of truth, when it is introduced, must be explained, in some manner, in terms of our capacity to recognize statements as true, and not in terms of a condition which transcends human capacities.“, Dummett 1976, S. 116. Vgl. auch Dummett 1978, S. 146. Dummett begründet seine Theorie durch eine verifîkationisti-sche Theorie der Bedeutung. Vgl. vor allem Dummett 1975, Dummett 1976 und Dummett 1991. Das Hauptargument bezieht sich auf die Weise, wie wir die Bedeutung der Sätze lernen. Nach Dummett verstehen wir einen Satz, wenn wir die Situationen, in denen er wahr ist, identifizieren können. Einen Satz zu verstehen heißt jedoch, seine Bedeutung zu kennen. Die Bedeutung eines Satzes reduziert sich demgemäß auf die Prozeduren, durch welche er verifiziert werden kann. Diese Lehre stützt sich natürlich auf die bekannte Theorie von Quine. Vgl. dazu vor allem Quine 1960.

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  26. Vgl. „To say that truth is ’correspondence to reality’ is not false but empty, as long as nothing is said about what the ’correspondence’ is. If the ’correspondence’ is supposed to be utterly independent of the ways in which we confirm the assertions we make (so that it is conceived to be possible that what is true is utterly different from what we are warranted in taking to be true, not just in some cases but in all cases), then the ’correspondence’ is an occult one, and our supposed grasp of it is also occult.“, Putnam 1995, S. 10. Putnam scheint eine im Grunde verifikationistiche Wahrheitstheorie zu akzeptieren, die die Wahrheit als eine Art idealisierter Akzeptabilität definiert. Vgl. „[T]ruth is an idealization of rational acceptability. We speak as if there were such things as epistemically ideal conditions, and we call a statement ’true’ if it would be justified under such conditions.“, Putnam 1981, S. 55. Vgl. auch Putnam 1989, S. 115; Putnam 1981, S. 49 f.; Putnam 1990, S. 41. (Es ist zu bemerken, daß Putnam in seinen letzten Schriften leugnet, daß sich der Wahrheitsbegriff in epistemischen Termini definieren läßt. Nichtsdestoweniger besteht er auf einer philosophisch interessanten Verbindung der Wahrheit mit der Möglichkeit der epistemischen Begründung. Die Einzelheiten dieser Verbindung werden allerdings nicht präzisiert. Vgl. Putnam 1992.) Vgl. dazu auch die klassischen Stellen, wo Peirce die Realität als das definiert, was eine idealisierte Gesellschaft der Forscher „in the long run“ akzeptieren würde. Vgl. Peirce 1868, S. 52; Peirce 1878, S. 139. Vgl. auch Sellars 1967, S. 140–142. Putnam verbindet seine epistemische Auffassung des Wahrheitsbegriffs mit seiner bekannten Lehre von der ontologischen Relativität in Bezug auf die benutzten konzeptuellen Schemata. Vgl. z.B. Putnam 1982, S. 63 f.; Putnam 1987, S. 17.

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  27. Vgl. „Wir sagten, daß von unseren Gegnern der Satz: veritas est adaequatio etc. mißdeutet werde. Hätte er den Sinn, den man ihm gibt, so würde jeder, der erkennt, daß ein Ding ist, dies tun, indem er eine gewisse Gleichheit zwischen etwas, was in seinem Geiste, und etwas, was draußen ist, erkennen würde, und die Erkenntnis dieser Gleichheit würde voraussetzen, daß man das eine mit dem anderen verglichen habe.“, Brentano 1930, S. 125 f. (aus dem Jahre 1914).

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  28. Meine Hervorhebung.

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  29. In einem Brief an Brentano vom 15. September 1906 schreibt Kraus: „Wenn es angeht, wie er [Marty] lehrt, zu sagen, daß ich, indem ich das evidente Urteil als solches erfasse, auch den adäquaten Inhalt als adäquat komperzipiere, und das Erfassen jenes einen Fundamentes zugleich ein Miterfassen des anderen Fundamentes und der zwischen ihnen bestehenden Adäquationsrelation ist, so ist der aktuelle regressus in infinitum beseitigt.“, Brentano 1977, S. 177. Vgl. dazu auch Marty 1908, S. 314.

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  30. Einen klaren Ausdruck hat diesen Intuitionen Aristoteles gegeben. Vgl. „Zu sagen [...], das Seiende sei nicht oder das Nicht-Seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-Seiende sei nicht, ist wahr.“, Metaphysik, 1011b 26–21; „[D]as im eigentlichsten Sinne seiende Wahre oder Falsche [...] liegt bei den Dingen durch Zusammensetzung und Trennung vor, so daß der die Wahrheit sagt, der vom Getrennten urteilt, es sei getrennt, von dem Zusammengesetzten, es sei zusammengesetzt, der dagegen im Irrtum ist, welcher anders denkt als die Dinge sich verhalten [...]. Nicht darum nämlich, weil unser Urteil, du seiest weiß, wahr ist, bist du weiß, sondern darum, weil du weiß bist, sagen wir die Wahrheit, indem wir dies behaupten.“, Metaphysik, 1051 b 1–9.

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  31. Die kleinen Buchstaben (“p“, “q“ usw.) sind Aussagen variablen. Wir sehen von den (logisch wichtigen) Einzelheiten der Formulierung Tarskis ab. Im Besonderen soll der Name ,p“, der hier einfach durch Anführungszeichen gebildet wird, in der Tat ein struktureller Name sein. Die Metasprache muß demgemäß nicht nur alle Ausdrucksmittel der Objektsprache, sondern auch die Mittel zur Beschreibung der Syntax der Metasprache enthalten. Darüber hinaus müssen die mengentheoretischen Mittel der Metasprache im Vergleich zur Objektsprache wesentlich reicher sein.

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  32. Wobei der Buchstabe „T“ eine Abkürzung von „truth“ und nicht von „Tarski“ ist.

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  33. Der Konvention Tarskis wird oft vorgeworfen, daß sie nur eine materiale Äquivalenz fordert. Eine solche materiale Äquivalenz erfaßt jedoch kein philosophisch interessantes Verhältnis zwischen dem Wahrheitsträger und Wahrmacher, denn sie besteht auch zwischen den Sätzen „Der Satz ’Schnee ist weiß’ ist wahr“ und „Gras ist grün“. In der Tat fordert jedoch Tarski, daß alle Äquivalenzen der Form (T) die Konsequenzen der Wahrheitsdefinition darstellen, d.h. daß sie auf dem Boden der Wahrheitstheorie beweisbar sind. Folglich sind sie (auf dem Boden dieser Theorie) notwendig. Die einfachste Form einer solchen Theorie wäre: (Vp)(Es ist wahr, daß p= p). Vgl. dazu Aiston 1996, S. 28. Das Quantifizieren der Aussagenvariablen, die z.B. Lesniewski in seiner Protothetik verwendet (vgl. Lesniewski 1992, Bd. II, S. 419 ff), ist natürlich problematisch, an dieser Stelle werden wir uns jedoch damit nicht befassen. Lediglich über die nicht-gegenständliche Quantifizierung (obwohl nicht im Kontext der Aussagenvariablen) werden wir in den nächsten Kapiteln etwas sagen.

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  34. Viele Philosophen haben jedoch solche stärkeren realistischen Wahrheitsdefinitionen formuliert, die eine bestimmte Ontologie postulieren, und das Verhältnis der Korrespondenz näher zu erklären versuchen. Vgl. z.B. Russell 1912, S. 124–129. Ein Beispiel einer solchen stärkeren Korrespondenz-Theorie bildet natürlich auch die oben besprochene Theorie, die Brentano im Vortrag Über den Begriff der Wahrheit formuliert hat. seine Aussage auf der Ebene der deutschen Metasprache erster Stufe situieren. Sollte sich jedoch unter den gestrigen Äusserungen Helmuts die folgende finden: „Maria hat heute den ganzen Tag gelogen“, so wäre der Aussage von Hans eher die Ebene der deutschen Metasprache zweiter Stufe (der Meta-Meta-sprache) zuzuordnen. Wenn dann auch in Marias Aussagen semantische Prädikate vorkommen, muß die Sprachebene noch erhöht werden usw. In dieser Weise können natürlich auch die für die semantischen Paradoxien charakteristischen Selbstreferenzen auftreten. Es reicht, daß Helmut gestern gesagt hat „Alles, was Hans behauptet, ist eine Lüge“, und die heutige Behauptung von Hans erweist sich als selbstreferierend. Vgl. dazu auch Kirkham 1995, S. 281.

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  35. Aus diesen Gründen versucht man Sprachen, die ihr Wahrheitsprädikat enthalten, zu konstruieren. Vgl. besonders Kripke 1975. Diese Konstruktionen müssen jedoch in der Regel eine nicht-klassische Logik voraussetzen. Um Paradoxien zu vermeiden, nimmt man an, daß der Satz „es ist (nicht) wahr, daß p“ unter Umständen weder wahr noch falsch sein kann. Man nimmt also „den dritten Wahrheitswert“ an. Manchmal postuliert man sogar den vierten Wahrheitswert: sowohl wahr als falsch. Vgl. dazu Simmons 1993, S. 8 f; Gupta/Belnap 1993, S. 34. Vgl. dazu auch Küng 1974, S. 247–251. Es ist aber zu bemerken, daß die Unterscheidung Objektsprache-Metasprache sogar bei solchen nicht-klassischen Sprachen aufrechterhalten werden muß. Das Prädikat „ist wahr“ darf zwar zur Objektsprache gehören, das Prädikat „ist weder wahr noch falsch“ muß jedoch der Metasprache vorbehalten bleiben. Sonst könnte man auf eine einfache Weise den sogenannten „verstärkten Lügner“ konstruieren. Der verstärkte Lügner verwendet die Termini der jeweiligen Theorie, um eine neue paradoxe Form zu erzeugen. Vgl. Simmons 1993, S. 7. Im Fall der Theorie, die den dritten Wahrheitswert - weder wahr noch falsch -einführt, würde der verstärkte Lügner folgendermaßen aussehen: (*) der Satz 86 ist entweder falsch oder weder wahr noch falsch. Es scheint also, daß sich der Unterschied Objektsprache-Metasprache keineswegs umgehen läßt. (Die Hälfte dieser Fußnote wurde aus Chrudzimski 1999a, S. 179 übernommen.)

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  36. Wittgenstein nimmt jedoch an, daß sich die Struktur der semantischen Beziehung trotzdem in einer gewissen Weise (durch die Grammatik der Sprache) zeigt. Auf dieses faszinierende Problem können wir hier jedoch nicht eingehen. Vgl. dazu Chrudzimski 1999a, S. 188.

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  37. Vgl. dazu Ajdukiewicz 1948, wo die Apparatur Tarskis zur Analyse des Idealismus in der Version Berkeleys verwendet wurde. Vgl. dazu auch Wolenski 1989, S. 217 ff.

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  38. Vgl. noch einmal Ajdukiewicz 1948. Die idealistische Sprache Berkeleys besitzt Ajdukiewicz zufolge keine Objektsprache.

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  39. Diese Schwierigkeiten, die den zentralen Begriff des immanenten Objekts betreffen, hoffen wir im nächsten Kapitel, wo wir die wichtige Lehre Brentanos von der immanenten Wahrnehmung behandeln größtenteils beheben zu können. Es erweist sich, daß das immanente Objekt, je nachdem, ob es aus der Perspektive der direkt gerichteten Intentionalität oder vom Standpunkt der immanenten Wahrnehmung betrachtet wird, zwei verschiedene Gesichter zeigt.

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  40. Zur Unterscheidung zwischen diesen zwei Kategorien (Proposition als ein konzeptuelles Gebilde und Sachverhalt als eine objektive Struktur) und verschiedener Auffassungen dieses Problems in der österreichischen Philosophie vgl. Morscher 1986.

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  41. Dieser Abschnitt entspricht teilweise dem Artikel Chrudzimski 1998b.

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  42. Die emotionalen Phänomene, die die Grundlage sittlicher Erkenntnis bilden, müssen dabei eine wichtige Eigenschaft besitzen, die sie den apodiktischen Urteilen ähnlich macht. Ihre Richtigkeit soll nämlich aus bloßen Begriffen einleuchten. Vgl. die Abhandlung Brentanos Vom Lieben und Hassen (1907) [in Brentano 1889/1955, S. 142–168], S. 152. Vgl. auch: „In der Tat ist das bisher [...] Gesagte noch dahin zu ergänzen, daß alle als richtig charakterisierten Akte des Liebens und Bevorzugens [...] allgemein, d.h. auf begrifflich gedachte Objekte gerichtet sind. Indem wir z.B. Erkenntnis im Allgemeinen oder, was dasselbe sagt, indem wir den allgemeinen Begriff der Erkenntnis denken und dieser Begriff der Gemütstätigkeit zugrunde liegt, erweist sich diese als ein Analogon nicht der assertorischen, son-dern der apodiktischen Erkenntnis. So wie die Axiome durch das Denken allgemeiner Begriffe motiviert sind, aus den Begriffen (ex terminis) einleuchten, so entspringen auch die als richtig charakterisierten Akte des Interesses unmittelbar aus den Begriffen. Indem wir einen solchen Akt als einer richtig charakterisierten Liebe in uns wahrnehmen, wird uns darum mit einem Schlage, ohne Induktion besonderer Fälle, die Güte der ganzen betreffenden Klasse klar.“, Brentano 1952, S. 150. Vgl. auch Chisholm 1986, S. 51.

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  43. Man sollte natürlich noch präzisieren, ob das betreffende Objekt nur als ein Mittel (um eines anderen willen) oder als ein Zweck (um seiner selbst willen) richtig geliebt bzw. gehaßt werden kann. Im ersten Fall besitzt es nur einen relativen (instrumentalen) Wert bzw. Gegenwert. Vgl. Brentano 1889/1955, S. 19.

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  44. Marty ordnet jedem wahren Urteil einen autonom in der Welt existierenden propositionalen Inhalt zu. Vgl. Marty 1908, S. 291 f. Er behauptet, daß er diese Konzeption aus den Würzburger und Wiener Vorlesungen Brentanos übernommen hat. Vgl. Marty 1908, S. 292. Auch Stumpf berichtet über die Lehre von den propositionalen Korrelaten der Urteile, die Brentano um 1880 vertreten haben soll. Vgl. Stumpf 1907, S. 29. Vgl. dazu auch Morscher 1990.

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Chrudzimski, A. (2001). Urteil und Wahrheit. In: Intentionalitätstheorie beim frühen Brentano. Phaenomenologica, vol 159. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-015-9668-8_3

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