Zusammenfassung
Wenn abstrakte Rechtsvorschriften in konkrete Handlungen überführt werden, dann benötigen diejenigen, die es machen sollen, eine Handlungsethik, die mehr ist als nur Gesetzesvollzug. „Gewalt anwenden, um mehr Gewalt zu verhindern“ wäre solch ein moralischer Imperativ. Zunehmend übernehmen aber Angehörige der Polizei auch Vorstellungen von Überlegenheit und Dominanz, in denen das Überwältigungshandeln der Polizei nicht mehr problematisiert wird. Der Artikel diskutiert, ob Gewalt überhaupt jemals frei von violenten Anteilen angewendet werden kann und welche Rolle die Moral in einer Organisation spielt, die zunehmend autoritär agiert.
Eines der vielen „geflügelten Worte“, die dem Einsatzleiter des G20-Gipfels, Hartmut Dudde, nachgesagt worden sind und davon zeugen, dass nicht nur seine private Haltung autoritär war, sondern damit auch die gesamte Einsatzstrategie der Hamburger Polizei (Walther 2023). Neben dem Wasserwerfer ohne Rückwärtsgang (was faktisch natürlich nicht stimmt, sondern besagt, dass eine einmal begonnene Polizeimaßnahme nicht mehr zurückgefahren wird), wird auch der Satz „Wir lassen nichts zu und schreiten immer ein“ von ihm kolportiert (vgl. Jödike 2018). Damit beschrieb Dudde die sog. „Hamburger Linie“ der Polizei, die es offiziell allerdings nie gab.
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Behr, R. (2023). „Ein Wasserwerfer hat keinen Rückwärtsgang“ - Von den Schwierigkeiten, Staatsgewalt „sauber“ zu vollziehen. In: Trappe, T., Schröder-Bäck, P. (eds) DenkWege - Ethik und Seelsorge in der Polizei. Geschichte und Ethik der Polizei und öffentlichen Verwaltung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-42899-0_3
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