Ausgrenzung lesbischer Frauen aus dem patriarchalen Literaturbetrieb und die Schaffung von Öffentlichkeit durch die Frauenbewegung (Exkurs)

  • Chapter
Hinterlegte Botschaften
  • 38 Accesses

Zusammenfassung

Auch in den siebziger Jahren war der deutschsprachige Literaturmarkt klar von Männern beherrscht. In allen entscheidenden Positionen der Verlage sassen Männer, die die Publikation oder Ablehnung von Texten beurteilten2. Die massgeblichen Kulturredaktionen von Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen waren mit Redaktoren und Chefredaktoren besetzt. Die Gremien zur Verleihung von Literaturpreisen waren fest in Männerhand. Ein Beispiel dafür ist die Zusammensetzung der Jury zur Verleihung des Bremer Literaturpreises, einer der wichtigsten deutschsprachigen Literaturpreise. Von 1953 bis 1975 bestand diese Jury aus acht oder neun Männern. Zwar war bei der Schaffung des Preises vorgeschlagen worden, eine Frau in die Jury aufzunehmen — zur Diskussion standen Gertrud von Le Fort, Oda Schäfer und Luise Rinser -, aber die bereits nominierten Juroren waren sich einig, “dass keine der genannten Frauen in wünschenswerter Weise den Erfordernissen des Preisgerichtes entsprechen dürfte”3. So blieben die Herren unter sich und nahmen jeweils nur eine Frau einmalig als Gast auf, wenn sie Literaturpreisträgerin geworden war. Entgegen den Statuten halbierte diese Männerjury den Preis ausgerechnet dann, als er die ersten beiden Male Frauen zugesprochen wurde, nämlich Ilse Aichinger (1955 zusammen mit Herbert Meier) und Ingeborg Bachmann (1957 zusammen mit Gerd Ölschlägel).

“Dass ich in dieser krassen Männerwelt war, hing mit meiner Entscheidung zusammen, als Schriftstellerin arbeiten zu wollen. An der Universität war ja noch ein gemischtes Publikum gewesen. In der Arbeiter- und Bauern-Fakultät war natürlich die Masse Männer und wenige Frauen, aber diese Ausschliesslichkeit, fast nur Männer und nix Frauen, das läuft erst, seit ich Berufsschriftstellerin bin.”

Christa Reinig1

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Notizen

  1. Christa Reinig: “Ohne Frauenbewegung hätte ich das sowieso nicht geschafft” — Interview mit Christa Reinig von Madeleine Marti. In: Lesbenfront (Zürich), Nr. 17/1983, S.31

    Google Scholar 

  2. Vgl. dazu: — Z.B. die Aussage von Verlegerin Elisabeth Raabe in: Madeleine Marti: Arche-Verlag. In: Frauezitig (Zürich), Nr.26,1988, S.22 — In einem Artikel über die Veränderung des Lektorenberufs von den sechziger zu den achtziger Jahren werden namentlich eine Reihe wichtiger Lektoren und Verlagsleiter erwähnt, allesamt Männer: Lektoren: Klaus Roehler (Luchterhand), Karl Markus Michel, Hans Magnus Enzensberger und Martin Walser (Edition Suhrkamp), Hans Martin Lohmann und Christian Döhring (Suhrkamp), Rainer Weiss (Suhrkamp Theater), Thomas Beckermann (S.Fischer), Hansjörg Graf (List), Michael Krüger (Hanser) Verlagsleiter: Otto F. Walter (Luchterhand), Siegfried Unseld (Suhrkamp), Klaus Wagenbach (Wagenbach) In: Christian Seiler: Eine Zumutung für das wahre Kunstwerk. Neue Marktbedürfnisse verändern den Lektorenjob — wird ein Berufsstand überflüssig? In: Die Weltwoche, 8.2.1990

    Google Scholar 

  3. Wolfgang Emmerich (Hg.): Der Bremer Literaturpreis 1954–1987. Eine Dokumentation. edition die horen, Bremerhaven, 1988, S.10

    Google Scholar 

  4. Ebenda

    Google Scholar 

  5. Hans Altenhein: Dichters Preis & Lohn. Ein Plädoyer für Literaturpreise. In: Frankfurter Rundschau, 19.12.1987

    Google Scholar 

  6. Vgl. dazu z.B. die Literturkritik zu Ingeborg Bachmann anlässlich der Verleihung von wichtigen Literaturpreisen. In: Constanze Hotz: “Die Bachmann” S. 37f., 110f., 132f.

    Google Scholar 

  7. Johanna Moosdorf, Nelly-Sachs-Preisträgerin Dortmund 1963. Mit Beiträgen von Johanna Moosdorf, Kyra Stromberg, Werner Warsinsky und einer Johanna-Moosdorf-Bibliographie von Hedwig Bieber. Stadtbücherei Dortmund 1965 (29 S.)

    Google Scholar 

  8. Susanne Kappeler: Pornographie — Die Macht der Darstellung, S.139

    Google Scholar 

  9. Pornographische Darstellungen von Lesben wurden jedoch Ende der sechziger, anfangs der siebziger Jahre von Männern durchaus publiziert, wie z.B. viele der Titel aus der langen Liste von Johanna Fürstauer, die auch unter dem Pseudonym Silvie White schrieb, zeigen.

    Google Scholar 

  10. Die Bedeutung des Suhrkamp-Verlages für die Publikation von Männerliteratur wurde eindrücklich dokumentiert in einem Buch, das an die Buchhandlungen abgegeben wurde: Suhrkamp Verlagsgeschichte 1950–1987. Suhrkamp Verlag, o.J.

    Google Scholar 

  11. Brief von Joachim Campe an Madeleine Marti, 15.11.1988

    Google Scholar 

  12. Ebenda

    Google Scholar 

  13. Ebenda

    Google Scholar 

  14. Die Herausgeberin Eva Maria Alves formulierte ihre Vorstellungen dazu in einem Brief an mögliche Mitarbeiterinnen am 20.7.1986: “Meine Befürchtung ist, dass Frauen, die lesbisch sind, und Frauen, die mit und über Lesben arbeiten, ausgeschlossen wurden und werden, gelegentlich reaktiv dazu neigen, sich selbst aus der übrigen Gesellschaft auszuschliessen durch Verstummen, Zirkelbildung, Misstrauen. Meine Hoffnung ist, und unsere Gemeinschaftsarbeit sollte es zeigen können, dass die Ausschluss- und Ausschliessungsverfahren nicht “vollkommen” sind, sondern dass Verständigung weiter gesucht, Verständnis auch gefunden werden mag.”

    Google Scholar 

  15. Brief von Eva Maria Alves an Madeleine Marti, 18.3.1987

    Google Scholar 

  16. Ich bin überzeugt, dass bei einer systematischen Untersuchung einzelner Schriftstellerinnen, die eigenständige Vorstellungen in bezug auf Weiblichkeit artikulierten, weitere Formen von Ausgrenzung, bzw. von Druck zur Anpassung an den Männerliteraturmarkt, ans licht kämen.

    Google Scholar 

  17. Vgl. Kapitel 5.2. und 10.1.

    Google Scholar 

  18. Regula Venske: Schriftstellerin wider das Vergessen, S.211

    Google Scholar 

  19. Originalausgabe in Englisch 1936

    Google Scholar 

  20. Alexandra Busch: Ladies of Fashion, S. 105

    Google Scholar 

  21. Brief von Johanna Moosdorf an Madeleine Marti, November 1986

    Google Scholar 

  22. Auch diese beiden Publikationen werden in der Suhrkamp Verlagsgeschichte (Anmerkung 10) nicht erwähnt.

    Google Scholar 

  23. — Marlene Stenten hat in einem Brief an Simone Werder, vom 17.5.82, die Publikationsgeschichte von Puppe Else geschildert. — Vgl. dazu auch: Margret Fehrer, S.88–92 und S.95

    Google Scholar 

  24. Brief von Marlene Stenten an Simone Werder, 17.5.82

    Google Scholar 

  25. Zitiert nach: Brief von Marlene Stenten an Petra Knust, 17.4.1985

    Google Scholar 

  26. Brief von Marlene Stenten an Simone Werder, 17.5.82

    Google Scholar 

  27. Brief von Marlene Stenten an Petra Knust, 17.4.1985

    Google Scholar 

  28. Reihe Die Frau in der Gesellschaft

    Google Scholar 

  29. Die Verkaufszahlen habe ich auf Tausender gerundet. Angaben aus dem Brief von Barbara Julie Schürgers (Fischer Taschenbuch) an Madeleine Marti, 9.4.1990

    Google Scholar 

  30. Im Jahrhundert der Frau. Ein Almanach des Suhrkamp Verlages, 1980, S.7

    Google Scholar 

  31. Ebenda, S.8

    Google Scholar 

  32. Erschienen in: Hans-Ulrich Müller-Schwefe (Hg.): Neue deutsche Erzähler

    Google Scholar 

  33. Ursula Krechel: Selbsterfahrung und Fremdbestimmung. Darmstadt/Neuwied 1975, S.113

    Google Scholar 

  34. Ob der Frauenbuchvertrieb 1976 oder 1977 gegründet wurde, konnte ich nicht eruieren. Laut Emma-Kalender 1976 waren die ersten selbstverlegten Frauenbücher noch beim Maulwurf-Vertrieb Berlin zu beziehen, während im Emma-Kalender 1977 für dieselben Bücher der Frauenbuchvertrieb Berlin angegeben wird.

    Google Scholar 

  35. U.a.: Frauenoffensive-Extrajournal, Emma 3/1978, Courage 5/1978, Frauen und Film 28/1981, Frauezitig Zürich 14/1979

    Google Scholar 

  36. In: Einleitung zu Frauenliebe, Texte aus der amerikanischen Lesbierinnenbewegung, S.5

    Google Scholar 

  37. Ebenda, S.6

    Google Scholar 

  38. Sowie ausnahmsweise in einem linken Verlag: Valerie Solanas im März Verlag

    Google Scholar 

  39. In den siebziger Jahren veröffentlichte der Amazonen Verlag (Berlin/W.): 1976 — Jill Johnston, Lesben Nation. Die feministische Lösung (Original USA 1973) — Aimée Duc, Sind es Frauen? Roman über das dritte Geschlecht (Neuauflage von 1901) 1977 — Monique Wittig, Aus deinen zehntausend Augen Sappho (französisches Original: le corps lesbien, 1973) — Erinnerungen an Frauen. Eine Biographiensammlung, herausgegeben von Nancy Myron und Charlotte Bunch (Original USA 1974) — Elena Nachmann, Frauen aus dem Fluss (Original USA 1974) 1978 — June Arnold, Sister Gin (Original USA 1975) 1979 — Jane Rule, Bilder und Schatten. Die lesbische Frau in der Literatur (Original USA 1975)

    Google Scholar 

  40. Madeleine Marti: Arche Verlag. In: Frauezitig (Zürich), Nr.26/1988, S.22

    Google Scholar 

  41. Anke Schäfer: Von der Marktlücke zur Marktschwemme — eine Übersicht über die ökonomische Entwicklung der Frauenliteratur seit Beginn der neuen Frauenbewegung. In: Schreiben Nr.32, Bremen, 1987

    Google Scholar 

  42. Ebenda, S.86 und Brief von Anke Schäfer an Madeleine Marti, 6.6.1988

    Google Scholar 

  43. Anke Schäfer: Von der Marktlücke, S.89

    Google Scholar 

  44. Ebenda, S.89

    Google Scholar 

  45. Ebenda, S.90

    Google Scholar 

  46. Vorbereitungsgruppe Lesbenwoche (Hg.): “Mit allen Sinnen leben” — Dokumentation der 1.Berliner Lesbenwoche, 26.10.–2.11.85

    Google Scholar 

  47. Die ersten Bücher waren: — Ina Kuckuc, Der Kampf gegen Unterdrückung. Materialien aus der deutschen Lesbierinnenbewegung — Françoise d’Eaubonne, Feminismus oder Tod — Elena Gianini Belotti, Was geschieht mit kleinen Mädchen? Ein Beitrag zur rollenspezifischen Sozialisation — Barbara Ehrenreich/Deidre English, Hexen, Hebammen und Krankenschwestern. The witches are back! — Freia Hofmann, Sterilisation — Verena Stefan, Häutungen Nach der Zusammenstellung von Ulrike Bauer (Frauenoffensive Verlag), Juni 1988

    Google Scholar 

  48. Zur Gründung des Frauenoffensive Verlages: Ursula Münch, Hat die Alleinherrschaft der Männerverlage jetzt ein Ende? In: Emma (Köln), Nr.1/1977, S.8–12

    Google Scholar 

  49. Ulrike Bauer, Liste der verlegten Bücher und Brief an Madeleine Marti, 29.6.1988

    Google Scholar 

  50. Vgl.: — Ulrike Bauer, ebenda — Martina Schäfer: Feministische Fiktionen und literarische Traditionen eines autonomen feministischen Verlages. Inhaltsbezogene Strukturanalyse an ausgewählten Texten des FrauenverlagesFrauenoffensiveMünchen. (Dissertation) München 1986, S.42

    Google Scholar 

  51. Chudi Bürgi: Wider denTunnelblick”. Der Orlanda Frauenverlag. In: Frauezitig (Zürich), Nr.23, 1987, S.38

    Google Scholar 

  52. Alle vorhergehenden Angaben zum Orlanda Frauenverlag stützen sich auf den Artikel von Chudi Bürgi, a.a.O.

    Google Scholar 

  53. Daneben auch je ein Buch im Vietkau-Verlag (Berlin/W.) und im S.Fischer Verlag. Zudem erschienen Taschenbuchausgaben von bereits in der Eremitenpresse veröffentlichten Texten bei dtv, Fischer und in der Sammlung Luchterhand.

    Google Scholar 

  54. Auf meine Fragen an die Redaktion, ob meine Beobachtung und die daraus gezogenen Schlussfolgerung richtig sei, erhielt ich keine Antwort. Auf telefonische Nachfrage hiess es, der Verlag spiele bei der Auswahl zur Rezension keine Rolle. Frauenoffensive werde nicht absichtlich übergangen. Allerdings war das Verlagsprogramm von Frauenoffensive gar nicht bekannt.

    Google Scholar 

  55. Auf meinen Brief an die Redaktion der Zeit, in dem ich darauf aufmerksam gemacht hatte, erhielt ich keine Antwort.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1992 Springer-Verlag GmbH Deutschland

About this chapter

Cite this chapter

Marti, M. (1992). Ausgrenzung lesbischer Frauen aus dem patriarchalen Literaturbetrieb und die Schaffung von Öffentlichkeit durch die Frauenbewegung (Exkurs). In: Hinterlegte Botschaften. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03429-8_4

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03429-8_4

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00856-5

  • Online ISBN: 978-3-476-03429-8

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

Publish with us

Policies and ethics

Navigation