Zusammenfassung
Rudolf Augstein soll sich während seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter einmal darüber gewundert haben, dass seine Kollegen vom Spiegel besser und vor allem schneller über Vorgänge in der Regierung informiert waren als er als Abgeordneter. Etwa ein Vierteljahrhundert später wird im „Spiegel“ (Nr. 22/2001: 45) Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer mit den Worten zitiert:
„Der Trend zum Regierungsparlament und zur Mediendemokratie ist unverkennbar. Wenn die Entscheidungen in der Regierung fallen und die Debatten in den Medien stattfinden, was macht dann noch das Parlament?“
Was bleibt also vom Parlament, vom Deutschen Bundestag, von den Parlamenten in den Ländern, Städten und Gemeinden ganz zu schweigen? Haben ihnen die Medien den Rang als zentralen Ort gesellschaftlicher Meinungs- und Zielfindung, als „virtuelle Einheit der Nation“ (von Beyme 1997), abgelaufen? Es geht im Folgenden nicht darum, weitere Indizien für den Machtverlust der Legislative in der parlamentarischen Demokratie zu suchen — er ist ein Faktum und so alt wie die parlamentarische Demokratie selbst (Meier 1999). Schon Max Weber (1980) hat den Machtverlust des Reichstags beschrieben und ihn damit erklärt, dass mit der Entwicklung der modernen Gesellschaft der Sachverstand und das Herrschaftswissen der Exekutive zur eigentlichen Machtressource werden.
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Literatur
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Mai, M. (2005). Das Parlament in der Mediengesellschaft. Parlamentarische Debatte oder Talk-Show?. In: Medienpolitik in der Informationsgesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80816-5_11
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