Bei vielen Tumortherapien besteht das Risiko, dass sie die Niere belasten oder gar schädigen. Wie lässt sich damit umgehen, wenn chronisch nierenkranke bzw. dialysepflichtige Personen eine Krebstherapie benötigen?

Personen mit schwerer chronischer Niereninsuffizienz und mit Dialysepflicht, d. h. rund 80.000 Betroffene in Deutschland, haben ein erhöhtes Risiko für Tumorerkrankungen. Auch ist die Prognose von Krebspatienten und -patientinnen mit chronischer Niereninsuffizienz schlecht, das Gesamtüberleben verkürzt. „Die Datenlage zu dieser doch recht großen Gruppe an Betroffenen ist allerdings ungenügend, da sie aus Studien meist ausgeschlossen werden“, konstatierte Marit Ahrens, Frankfurt. Sie wies darauf hin, dass kardiovaskuläre Ereignisse bei Dialysepatienten und -patientinnen mit 50 % zwar die häufigste Todesursache sind, Krebserkrankungen aber bereits an dritter Stelle stehen. Grundsätzlich handelt es sich bei chronisch nierenkranken Tumorpatienten und -patientinnen um ein sehr heterogenes Kollektiv, in dem Chemotherapeutika, Immuncheckpointinhibitoren (ICI) und Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) individualisiert einzusetzen sind.

Daten zur Zytostatikatherapie bei 178 dialysepflichtigen Personen mit sekundärer Krebserkrankung stammen aus der retrospektiven CANDY(CANcer and DialYsis)-Studie [Janus N et al. Ann Oncol. 2013;24(2):501-7]. Gut ein Fünftel (22 %) hatte urogenitale Tumoren, 15 % hämatologische Neoplasien und jeweils 13 % Karzinome von Lunge und Gastrointestinaltrakt. Immerhin 28 % der Betroffenen erhielten eine Chemotherapie; allerdings wurden 36 verschiedene Zytostatika eingesetzt, sodass Standardempfehlungen in einem so heterogenen Kollektiv nur sehr schwierig zu definieren sind. Auch existieren für häufig verwendete Medikamente wie Docetaxel, Doxorubicin, Epirubicin und Irinotecan keine Daten, ob Dosisanpassungen bei Dialysepatienten und -patientinnen erforderlich sind. Unbedingt notwendig sind sie bei den renal verstoffwechselten Medikamenten Cisplatin (Dosisreduktion von 50-70 %), Cyclophosphamid (Reduktion um 25 %), Etoposid (Reduktion um 50 %), Methotrexat (Reduktion um 75 %) und Oxaliplatin (Reduktion um 30 %). Die beiden letzten Zytostatika sollten laut Janus et al. bei dialysepflichtigen Personen jedoch möglichst vermieden werden. Auch bei gängigen Regimen wie FOLFOX4, FOLFIRI, FEC100 und Cisplatin/Taxan sind Dosisreduktionen zwingend erforderlich. Die Chemotherapie wird in der Regel im Anschluss an die Dialyse durchgeführt. Einzige Ausnahme ist Gemcitabin, das bereits 6-12 Stunden vor Dialyse verabreicht wird.

Mittlerweile sind ICI bei vielen Tumoren Bestandteil der Standardtherapie. Allerdings ist bei dieser Substanzgruppe ein rund vierfach erhöhtes Risiko für akute Nierenschädigungen (z. B. Kreatininanstieg, akute tubulointerstitielle Nephritis, akutes Nierenversagen) zu beachten, mahnte Ahrens. Noch stärker gefährdet sind Patienten und Patientinnen mit begleitender Protonenpumpenhemmertherapie, vorbestehender erniedrigter glomerulärer Filtrationsrate (GFR) und Auftreten extrarenaler immunbedingter Nebenwirkungen. Eine aktuelle Real-World-Studie zeigt, dass 3,6 % von 1.037 Patienten und Patientinnen, davon 22 % mit vorbestehender chronischer Nierenerkrankung, unter der ICI-Therapie ein immunbedingtes akutes Nierenversagen entwickelten [Lumlertgul N et al. Eur J Cancer. 2023;191:112967]. Doch gab es keine Hinweise, dass die Mortalität aufgrund dieser Toxizität erhöht ist. Häufig eingesetzte ICI wie Atezolizumab, Nivolumab und Pembrolizumab werden nicht renal eliminiert, sodass eine Dosisanpassung meist nicht erforderlich ist (Cave: bei GFR < 30 ml/min). Auch für Dialysepatienten und -patientinnen gibt es keine Empfehlungen zur Dosisreduktion. „Die Dialyse ist keine Kontraindikation gegen eine immunonkologische Therapie“, resümierte Ahrens.

TKI und die Niere

Auch unter TKI-Therapie ist eine Nierenschädigung (Kreatinin-Anstieg, Hämaturie, Proteinurie) nicht selten, eine Verschlechterung der Nierenfunktion mit einer Rate von 5 bis 70 % häufig. Schwerwiegende Toxizitäten vom Grad 3/4 sind aber mit < 1 % extrem selten. Als häufigste histopathologische Ursache der TKI-bedingten Nephrotoxizität nannte Ahrens die thrombotische Mikroangiopathie. TKI werden überwiegend hepatisch eliminiert, sodass bei milder bis schwerer chronischer Niereninsuffizienz keine Dosisreduktion empfohlen und erst bei einer GFR < 30 ml/min Vorsicht geboten ist. Auch sind Überleben, Ansprechen und Zeit bis zum Therapieversagen bei Krebspatienten und -patientinnen mit chronischer Niereninsuffizienz ähnlich wie bei denen ohne diese Komorbidität. Bei Hämodialyse ist ebenfalls keine initiale Dosisanpassung von TKI notwendig, da die Dialyse die Pharmakokinetik dieser Substanzen nur unwesentlich beeinflusst. Allerdings können in dieser Gruppe vermehrt kardiovaskuläre Ereignisse auftreten, sodass ein engeres Monitoring als üblicherweise empfohlen wird. „Grundsätzlich ist eine medikamentöse Therapie der Tumorerkrankung bei Betroffenen mit chronischer Nierenerkrankung oder Dialyse nicht kontraindiziert“, sagte Ahrens abschließend.

Bericht von der Jahrestagung der deutschsprachigen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie, die vom 13. bis 16. Oktober 2023 in Hamburg stattfand.