Die Entwicklung der bildgebenden Diagnostik in der Retinologie hat sich durch vielfältige neue technologische Fortschritte in den vergangenen Jahren beschleunigt. Die Translation dieser Methoden in die klinische Routine ist ebenfalls rasant. Besonders hervorzuheben ist hier die optische Kohärenztomographie (OCT), die immer höher auflösende Aufnahmen erlaubt. Die Möglichkeiten der SD (Spectral-Domain)-OCT-Bildgebung wurden nun durch die OCT-Angiographie erweitert.

Vielzählige Erkrankungen der Netzhaut und der Aderhaut gehen mit Veränderungen der Gefäße und der Perfusion einher. Dabei reicht das Spektrum der Erkrankungen von der neovaskulären altersabhängigen Makuladegeneration und der diabetischen Retinopathie bis hin zu retinalen Gefäßverschlüssen, Teleangiektasiesyndromen, inflammatorischen und Aderhauterkrankungen.

Bislang waren die Fluoreszeinangiographie und die Indocyaningrünangiographie Goldstandard bei der Beurteilung von retinalen und chorioidalen Gefäßen. Allerdings handelt es sich dabei um invasive diagnostische Maßnahmen mit Injektion der Fluoreszenzfarbstoffe. Zu den relevanten potenziellen Nebenwirkungen wie Übelkeit zählen auch allergische Reaktionen. Darüber hinaus sind der zeitliche und personelle Aufwand auch aufgrund der intravenösen Injektion und der seriellen Aufnahmen über ein bestimmtes Zeitintervall groß.

Ein Vorteil der OCT-Angiographie liegt darin, dass keinerlei Injektion erforderlich ist.

Die ersten Geräte für die OCT-Angiographie sind mittlerweile bereits auf dem Markt oder werden in Kürze zu erwerben sein.

Bei der OCT-Angiographie basiert die Gefäßdetektion auf der Flussregistrierung, d. h., es werden nur solche Gefäße sichtbar gemacht, die perfundiert werden. Nicht perfundierte Gefäße bleiben unsichtbar. Damit verbunden ist die Einschränkung, dass fluoreszeinangiographische Phänomene wie „Leckage“, „Staining“ oder „Pooling“ nicht detektierbar sind. Somit ist auch keine Beurteilung der Integrität der inneren oder äußeren Blut-Netzhaut-Schranke möglich und damit von Störungen, die mit pathologischer Hyperpermeabilität verbunden sind. Gleichwohl ergibt sich ein Vorteil daraus, dass aufgrund der sehr guten vertikalen Auflösungen von SD-OCT-Bildern Gefäße in verschiedenen anatomischen Schichten präzise dargestellt werden können. So können beispielsweise der oberflächliche und der tiefe Kapillarplexus in der Netzhaut getrennt visualisiert werden. Auch werden Gefäßveränderungen nicht durch den Austritt von Fluoreszenzfarbstoff maskiert.

Differenzielle Effekte auf die Gefäße, beispielsweise im Rahmen der diabetischen Retinopathie oder makulärer Teleangiektasien, können so erstmals in vivo erfasst werden. Auch ergeben sich neue Perspektiven bei der Beurteilung der Anti-VEGF-Therapie im Rahmen der neovaskulären altersabhängigen Makuladegeneration und anderer exsudativer Netzhauterkrankungen. Die nichtinvasive OCT-Angiographie kann hierbei auch problemlos und ohne relevante Belastung für den Patienten wiederholt werden. Die Aufnahmen sind weiterhin bei nicht dilatierter Pupille möglich. Eine dreidimensionale Rekonstruktion lässt die präzise Beurteilung bezüglich der Lokalisation pathologischer Veränderungen zu. Voraussetzungen hierfür waren hochqualitative B-Scans in der neuen SD-OCT-Instrumentengeneration.

In den nachfolgenden Beiträgen sollen zuerst die Grundlagen der OCT-Angiographie besprochen werden. Darauf aufbauend werden Befunde der OCT-Angiographie auch in Gegenüberstellung konventioneller bildgebender Diagnostik anhand konkreter Beispiele aus der klinischen Anwendung dargestellt und Hinweise zur Interpretation gegeben.

Wir stehen noch am Anfang bei der klinischen Anwendung dieser neuen Technologie. Auch sind Quellen für mögliche Artefakte bei der Interpretation der Aufnahmen zu berücksichtigen. Es erscheint allerdings wahrscheinlich, dass die OCT-Angiographie in der Zukunft einen festen Platz im diagnostischen Armamentarium der Ophthalmologie einnehmen wird. Parallele Softwareentwicklungen mit noch akkurateren Segmentierungen und Möglichkeiten zur Verlaufsbeurteilung werden die routinemäßige Anwendung befördern. Im Rahmen der klinischen Forschung werden bereits jetzt sowohl natürliche Verlaufsstudien als auch interventionelle Studien durchgeführt, in denen die OCT-Angiographie zum Einsatz kommt und die zum besseren Verständnis beitragen werden.

F.G. Holz

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T.U. Krohne

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