Wirbelsäulenchirurgische Eingriffe erfordern ein hohes Maß an Konzentration. Gleichzeitig können starke körperliche und mentale Belastungen auftreten. Bisher gibt es keine systematischen Untersuchungen oder Daten zu Kreislaufparametern von Wirbelsäulenchirurgen in der Rolle des Operateurs oder des Assistenten unter Berücksichtigung unterschiedlicher physischer und psychischer Belastungen während wirbelsäulenchirurgischer Eingriffe.

Einleitung

Komplexe Operationen können weit über 10 h andauern. Oft sind Pausen zu kurz oder kommen erst gar nicht in Betracht, da diese aufgrund des Operationsablaufs nicht möglich sind. In der Regel steht der Chirurg während der gesamten Zeit des Eingriffs am Operationstisch. Er ist dementsprechend einer hohen physischen Anstrengung ausgesetzt.

Diese Anstrengung steigt durch das Tragen von OP-Bekleidung, Mundschutzmaske, Kopflampe und – wie es oft bei orthopädischen Operationen notwendig ist – von röntgenstrahlendichter Bleischürze mit hohem Eigengewicht zusätzlich. Hieraus resultiert zudem eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Während die OP-Bekleidung mit Hose und Kasack einen eher geringen Einfluss hat, fällt die Bleischürze mit knapp 5,5 kg deutlicher ins Gewicht. Die Operationsleuchte, die dem Arzt ein optimales Sichtfeld auf das Operationsgebiet gewähren soll, wird trotz des klimatisierten Operationssaals aufgrund ihrer enormen Leuchtstärke von bis zu 160.000 Lux [16] in unmittelbarer Nähe zum Operateur zu einer beachtlichen Wärmequelle. Ein besonderes Augenmerk sollte auch auf das Tragen der Mundschutzmaske gelegt werden, da diese zu einer merklichen thermischen Zusatzbelastung führen kann [4, 8, 10, 11].

Zum Aufgabengebiet eines Wirbelsäulenchirurgen gehört ein vielfältiges Repertoire an Operationen. Neben minimalinvasiven Operationen mit einem Operationsmikroskop, bei denen ein enormes Maß an Feingefühl während der Arbeit an sehr kleinen anatomischen Strukturen gefragt ist, gibt es auch Eingriffe, bei denen grobmotorisches, handwerkliches Geschick und Kraft im Vordergrund stehen. Insbesondere das Ausharren in einer unphysiologischen, gebückten oder schrägen Zwangshaltung des Oberkörpers, Nackens oder Kopfes bedeutet eine Herausforderung für die statische Muskelarbeit.

Zusätzlich entsteht psychischer Stress, wenn der Eingriff ein hohes Maß an Konzentration über einen mehrstündigen Zeitraum erfordert. Die Korrekturen einer ausgeprägten Wirbelsäulendeformität oder Tumorerkrankung nehmen nicht selten einen ganzen Arbeitstag in Anspruch. Das mit solchen Eingriffen verbundene hohe perioperative Risiko für Komplikationen, z. B. für eine Querschnittslähmung oder Blutung bei Gefäßverletzungen, erhöht den psychischen Druck und bedeutet ein hohes Maß an Verantwortung gegenüber dem Patienten und seinen Angehörigen.

In der gegenwärtigen Literatur existieren nur wenige Untersuchungen, welche die intraoperativen Kreislaufparameter, den Dehydratationsgrad des Chirurgen sowie deren Auswirkungen im Hinblick auf psychischen und physischen Stress systematisch untersucht und analysiert haben. Im Vergleich mit medizinischen Berufen sind die Luftfahrt und andere Berufsfelder mit hoher Verantwortung, bei denen durch menschliche Fehler, Ermüdung und Konzentrationsschwäche fatale Konsequenzen drohen, wesentlich besser erforscht. Durch Forschungsarbeiten im Luftfahrtsektor konnten typische Fehlerquellen identifiziert und deren Auftreten durch das Multi-Crew-Concept, einem Schulungsprogramm zur Verbesserung von Kommunikation und Koordination unter Kopilot und Pilot, auf ein Mindestmaß reduziert werden. So gehört die professionelle Luftfahrt heute zu den sichersten Reise- und Transportmodalitäten [9]. Hier kommt es bei einer Million Flügen zu weniger als 0,15 fatalen Unfällen, was zu einem großen Teil auf ein gut ausgebautes Risikomanagement und das Bewusstsein der Belastungen von Pilot und Kopilot zurückzuführen ist [9].

Betrachtet man hingegen den Krankenhausreport der AOK [17] von 2014, in dem laut Schätzungen rund 19.000 Menschen im Jahr ihr Leben aufgrund von Behandlungsfehlern verlieren, wird deutlich, dass ein dringender Handlungsbedarf besteht, um Komplikationen durch Verbesserungen am Arbeitsplatz und Risikobewusstsein während chirurgischer Eingriffe zu minimieren.

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sollen zu einem besseren Verständnis der Arbeitsplatzbelastungen im Kontext von physischem und psychischem Stress während wirbelsäulenchirurgischer Eingriffe beitragen.

Methode

Die Studie umfasste eine Analyse relevanter Kreislaufparameter eines gesunden, 40-jährigen Wirbelsäulenchirurgen mit 12 Jahren Praxiserfahrung (BMI 25) während 101 Operationen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrads im Zeitraum vom Dezember 2011 bis März 2013 an der Universitätsklinik für Orthopädie der medizinischen Universität Innsbruck. Die Operationen wurden entweder „aktiv“ als erster Operateur durchgeführt oder „passiv“ in der Rolle des Assistenten begleitet.

Ablauf

Das jeweils aktuelle Körpergewicht wurde mithilfe einer Personenwaage (Fa. Korona, Modell Dolores) unmittelbar vor und direkt nach der Operation gemessen. Dabei wurde standardisiert vorgegangen. Die Messungen erfolgten jeweils entkleidet nach dem Toilettengang mit entleerter Blase und vor dem Anlegen der Operationsbekleidung. Während der Operationen waren keine Trinkpausen oder Toilettengänge vorgesehen. Die Messung des Körpergewichts nach Beendigung der Operation wurde nach Ablegen der Operationskleidung durchgeführt.

Die Messung der Herzfrequenz durch einen digitalen Trainingscomputer (Polar® RS300X) startete beim Betreten des Waschraums und endete beim Verlassen des Operationssaals. Um den Einfluss der Umgebungstemperatur während des Eingriffs festzustellen, wurde die Raumtemperatur zu Beginn und am Ende der Operation mit einem Kühlraumthermometer gemessen und dokumentiert.

Die primäre Datenerfassung erfolgte mit einem Erfassungsbogen. Die Daten wurden zur digitalen Weiterverarbeitung in eine Excel-Tabelle übertragen und mit SPSS ausgewertet.

Messparameter

Gemessen wurden folgende Parameter:

  • durchschnittliche Herzfrequenz in Schlägen pro Minute,

  • maximale Herzfrequenz in Schlägen pro Minute,

  • Gesamtkalorienverbrauch in Kilokalorien,

  • Raumtemperatur in Grad Celsius,

  • Gewicht des Probanden in Kilogramm.

Der Schwierigkeitsgrad der Operation wurde auf einer Skala von eins bis drei bewertet, wobei eins als „leicht“ (operationstechnisch einfache, häufig durchgeführte Routineeingriffe, z. B. mikroskopisch assistierte Bandscheibenoperation, dorsale Dekompression einer Segmentetage) und drei als „schwer“ (operationstechnisch anspruchsvolle, seltene, mit höherem Komplikationsrisiko behaftete Eingriffe, z. B. langstreckige Korrekturspondylodesen, Revisionseingriffe mit Narbenbildung).

Dokumentation

Für jede durchgeführte Operation wurde ein separater Erfassungsbogen ausgefüllt, der die zuvor beschriebenen Messparameter enthält. Zusätzlich wurden in dem Erfassungsbogen Komplikationen erfasst, so denn diese auftraten. Das Tragen einer Strahlenschutzweste wurde protokolliert und die Funktion des Probanden als Operateur (aktiv) oder Assistent (passiv) notiert. Die Art des Eingriffs, die OP-Dauer, der Beginn und das Ende (Uhrzeit in hh:mm) der Messungen wurden ebenfalls festgehalten.

Die mit dem Trainingscomputer erfassten Daten wurden digital mit dem vom Hersteller dafür vorgesehenen Polar Flowlink®, einem computergestützten System mit passwortgeschütztem Onlineaccount (www.polarpersonaltrainer.com), ausgelesen. Alle Datenblätter wurden im Studienbuch gesammelt und archiviert.

Ergebnisse

Die statistische Auswertung umfasste 101 Operationen. Dabei wurden physische und psychische Aspekte der intraoperativen Belastung berücksichtigt.

Physischer Stress

Die Auswirkungen auf die körperliche Belastung wurde anhand der gemessenen Herzfrequenz (n = 97, fehlende n = 4) in der Rolle des „aktiven“ Operateurs und „passiven“ Assistenten verglichen. In der Funktion als Assistent betrug sie im Mittel 77 ± 6 spm (Schläge pro Minute). Als aktiver Chirurg betrug sie 98 ± 10 spm. Die durchschnittliche Herzfrequenz war somit bei den aktiven Operationen statistisch signifikant höher als bei den passiven (p ≤ 0,05, Mann-Whitney-U-Test). Bei der maximalen Herzfrequenz gab es ebenfalls signifikante Unterschiede hinsichtlich der aktiven und passiven Rolle des Operateurs während der Eingriffe (p ≤ 0,05, Mann-Whitney-U-Test). Der Mittelwert betrug 99 ± 11 spm bei assistierten Operationen und 124 ± 15 spm bei aktiven Operationen (Tab. 1).

Tab. 1 Kreislaufparameter, OP-Dauer und Kalorienverbrauch von Operateur und Assistent

Die Gewichtsabnahme durch den Verlust von Körperflüssigkeit wurde mithilfe einer wiederholten Messung des Körpergewichts vor und unmittelbar nach der Operation bestimmt. Die Flüssigkeitsverluste von insgesamt 99 Messungen reichten von 0 kg bis 2,3 kg. Dies entspricht 0 % bis 2,68 % des Körpergewichts. Der Mittelwert lag bei 0,82 ± 0,61 kg (0,97 % des Körpergewichtes ±0,71 %).

Es bestand eine hohe Korrelation (r = 0,64) zwischen der Dauer der Operation und dem Gewichtsverlust. Der errechnete durchschnittliche Gewichtsverlust pro Stunde zeigte statistisch signifikante Unterschiede. Er betrug für den Operateur 1,12 % (± 0,71 %) und für den Assistenten 0,59 % (± 0,52 %) (p ≤ 0,05, Mann-Whitney-U-Test).

Die Saaltemperatur wurde während 94 Operationen (fehlende n = 7) gemessen. Trotz der klimatisierten Operationssäle lag die Spannweite der Temperaturen im Bereich von 19–24,5 °C. Der Mittelwert lag zu Beginn bei 20,4 °C und gegen Ende der Operation bei 21,9 °C.

Psychischer Stress

Hinsichtlich der unterschiedlichen psychischen Belastung während einer Operation wurden die Eingriffe in je eine der folgenden 3 Kategorien eingeteilt: leicht, mittel und schwer. Leichte Operationen beinhalteten Routineeingriffe ohne Instrumentarium (z. B. mikroskopisch assistierte Bandscheibenoperationen, dorsale Dekompression einer Segmentetage). Zu den mittleren Operationen zählen z. B. kurzstreckige, instrumentierte Routineeingriffe wie dorsale Spondylodesen oder die transforaminelle interkorporelle lumbale Fusion. Zu den schweren Operationen gehören z. B. technisch anspruchsvolle Revisionseingriffe, langstreckige Korrekturspondylodesen, Pedikelsubtraktionsosteotomien, einzeitige ventrodorsale Operationen und Eingriffe mit intraoperativen Komplikationen.

Als repräsentativer Kreislaufparameter für psychischen Stress wurde wiederum die Herzfrequenz bestimmt. Es wurden 43 Operationen als leicht, 19 als mittel und 29 als schwer bewertet (n = 10 fehlende). Die OP-Dauer korrelierte (r = 0,53) mit dem subjektiven Schwierigkeitsgrad der Operation. Leichte Operationen dauerten durchschnittlich 1:51 h, mittlere 2:57 h und schwere 3:56 h.

Die durchschnittliche Herzfrequenz ist bei den Operationen mit hohem Schwierigkeitsgrad signifikant höher als bei den als leicht bewerteten (p ≤ 0,05, Kruskal-Wallis-Test). Der Unterschied zwischen den als mittel und schwer bewerteten Operationen war statistisch nicht signifikant (p > 0,05).

Ähnlich verhält es sich mit der maximalen Herzfrequenz. Diese ist in den höheren Schwierigkeitsgraden signifikant höher als im niedrigen (p ≤ 0,05, Kruskal-Wallis-Test). Zwischen den als mittel und schwer bewerteten Operationen besteht auch hier kein signifikanter Unterschied (p > 0,05). Der Maximalwert betrug 173 spm und der Minimalwert 85 spm (Tab. 2).

Tab. 2 Unterschiedliche Schwierigkeitsgrade (psychischer Stress) der Operationen und Kreislaufparameter

Vergleich von operativer Belastung und sportlicher Aktivität

Um einen Maßstab für die während der Operationen auftretenden Belastungen zu erhalten, wurden Vergleichsmessungen bei unterschiedlich anstrengenden sportlichen Aktivitäten durchgeführt: Spazierengehen in der Ebene für 30 min (leichte Belastung), Radfahren auf dem Fahrradergometer bei 21 km/h für 45 min (mittlere Belastung) und ein Zirkeltraining für 90 min (schwere Belastung).

Beim Spazierengehen wurde eine durchschnittliche Herzfrequenz von 104 spm und eine maximale Herzfrequenz von 118 spm gemessen. Während des Radfahrens konnte eine durchschnittliche Herzfrequenz von 126 spm und eine maximale Herzfrequenz von 136 spm aufgezeichnet werden. Für das Zirkeltraining ergab die Auswertung eine durchschnittliche Herzfrequenz von 128 spm und eine maximale Herzfrequenz von 178 spm.

Diskussion

Körperliche Belastung

Langes Stehen auf einer Stelle, der Umgang mit OP-Instrumenten und komplexe Operationsschritte fordern ein hohes Maß an Konzentration und stellen eine körperliche Belastung für den Chirurgen dar.

Aus der Literatur ist bekannt, dass vermehrter Stress zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit führen kann [2]. Im schlimmsten Fall kommt es zu Fehlern, die negative Auswirkungen auf das Operationsergebnis oder gar das Leben des Patienten haben. Weiter bekannt ist, dass vermehrter Stress zu einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt [12].

Auf Basis einer systematischen Analyse von Kreislaufparametern während 101 Operationen konnte nachgewiesen werden, dass die körperliche und psychische, d. h. mentale, Belastung für den Chirurgen in der aktiven Rolle des Operateurs signifikant höher ist als in der eher passiven Rolle des Assistenten. Dies konnte unter Berücksichtigung der Einflüsse unterschiedlicher Raumtemperaturen, der OP-Dauer und des Schwierigkeitsgrads des Eingriffs erstmals nachgewiesen und quantifiziert werden.

Das chirurgische Erfahrung nicht zwangsläufig mit einem reduzierten Stresslevel zusammenhängt, zeigten Kuhn et al. [7], die eine ähnliche Untersuchung während Koronararterienbypassoperationen durchgeführt haben. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Anleitung eines weniger erfahrenen Assistenten bei Koronararterienbypassoperationen auch beim erfahrenen Chirurgen, wenn er den Eingriff anleitet und somit aktiv assistiert, einen erhöhten psychischen Stress verursachen kann.

Im Vergleich zu anderen körperlichen Aktivitäten ist die physische Belastung im Hinblick auf die durchschnittliche Herzfrequenz während wirbelsäulenchirurgischer Eingriffe aller Schwierigkeitsgrade eher gering anzusehen und kann mit dem normalen Gehen in der Ebene (6 km/h) verglichen werden. Bei der eigenen Messung während des Spaziergangs wurde eine durchschnittliche Herzfrequenz von 104 spm erreicht. Somit lag die des Probanden der eigenen Untersuchung mit durchschnittlich 92 spm sogar noch darunter. Ein Blick auf die maximal gemessene Herzfrequenz bei 23 Operationen mit hohem Schwierigkeitsgrad zeigt jedoch, dass Spitzenwerte mit über 173 spm erreicht werden können. Diese Kreislaufparameter findet man sonst bei stark belastenden sportlichen Aktivitäten, z. B. einem intensiven Zirkeltraining (CrossFit®).

Die eigenen Ergebnisse decken sich mit denen von Bergovec et al. [3], welche den körperlichen Stress eines Orthopäden während der Implantation von Hüfttotalendoprothesen untersucht haben. Sie konnten zeigen, dass die Reaktion des kardiovaskulären Systems nicht höher ist als bei moderaten körperlichen Aktivitäten. Bei zwei der eigenen Operationen waren jedoch Höchstwerte von über 170 spm zu verzeichnen, die sich mit der maximalen Belastung bei einem Zirkeltraining decken.

Welche Faktoren können dazu beitragen, den Stress für den Chirurgen zu reduzieren?

Dass ein moderner Operationssaal zu einer Reduktion des Stresses beitragen kann, zeigte Klein im Jahr 2010 [6], indem er die Herzfrequenz von zehn Chirurgen bei laparoskopischen Eingriffen – sowohl in modernen als auch in herkömmlichen Operationssälen – miteinander verglich. Moderne Operationssäle zeichnen sich dadurch aus, dass sie nach neuesten ergonomischen und technischen Standards konstruiert worden sind.

Ebenso kann das Erlernen und Umsetzen von Co**-Strategien zu einem besseren Umgang mit der Belastung beitragen [15]. Co**-Strategien beinhalten mentale Praktiken und auch Atemtechniken, um in heiklen Situationen Konzentration und Ruhe zu bewahren.

Dehydratation

Während wirbelsäulenchirurgischer Eingriffe sind Trinkpausen oder Ruhephasen in der Regel nicht vorgesehen bzw. nur bedingt umzusetzen, da sie den schnellen Ablauf einer Operation unterbrechen und die OP-Zeit verlängern. Während der meisten orthopädisch-unfallchirurgischen Eingriffe, so auch in der Wirbelsäulenchirurgie, müssen intraoperative Röntgenaufnahmen angefertigt werden, die das Tragen von mehreren Kilogramm schweren Bleischürzen notwendig machen. Bleischürzen sind nicht atmungsaktiv und erhöhen die Körpertemperatur während physisch anstrengender Arbeit, d. h. sie stellen eine zusätzliche thermische Belastung dar und führen zu vermehrter Transpiration und Dehydratation.

Aus der täglichen Praxis und der eigenen Untersuchung ist bekannt, dass Operateur und Assistent oft mehrere Stunden keine Möglichkeit haben, diesen Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Zahlreiche Studien zeigen, dass mit zunehmender Dehydratation grundlegende kognitive Fähigkeiten wie das Kurzzeitgedächtnis und visuell motorische Fähigkeiten abnehmen [1, 5, 13, 14]. Nach Adan wird eine milde Dehydratation als ein Verlust von 1–2 % des Körperwassers und eine moderate Dehydratation als ein Verlust von 2–5 % des Körperwassers definiert [1]. Als kritische Grenze gilt in den vorliegenden Studien ein Verlust von 2 % des Körperwassers. Gopinathan et al. [5] wiesen darauf hin, dass die Leistungsfähigkeit bei Wasserentzug und der Durchführung von körperlichen Übungen unter Hitze proportional zum Grad der Dehydratation abnimmt und ab einem Verlust von 2 % des Körpergewichtes signifikant wird.

Demnach stellt sich die Frage, wie hoch ist und darf ein Flüssigkeitsverlust im Laufe einer Operation sein, bevor die Konzentrationsfähigkeit und die körperliche Leistungsfähigkeit abnehmen? Diese Fragen lassen sich mit den eigenen Ergebnissen abschließend nicht beantworten, da sie von einer Vielzahl anderer situationsbedingter und interindividueller Faktoren abhängen.

Mit der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass bei wirbelsäulenchirurgischen Eingriffen nach bereits 4:40 h OP-Zeit Maximalwerte von 2,68 % Verlust des Körpergewichts bzw. von 2,3 kg Verlust von Körperwasser erreicht werden können. Bei insgesamt acht von 101 Messungen wurden Werte über 2 % Verlust des Körpergewichts festgestellt. Weitere 38 Messungen lagen im Bereich zwischen 1 und 2 % und entsprachen damit einer milden Dehydratation.

In Kenntnis der aktuellen Literatur [1, 5, 13, 14] muss davon ausgegangen werden, dass in diesen acht Fällen mit moderater Dehydratation der Chirurg am Ende der Operation mit deutlichen Einschränkungen seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten zu rechnen hat. Wir sehen diese Tatsache darin bestätigt, dass es nach anspruchsvollen, mehrstündigen Operationen mit hohen Flüssigkeitsverlusten oft zu Kopfschmerzen, einem ausgeprägten Durstgefühl und körperlicher Erschöpfung kommen kann. Nach Meinung der Autoren können gezielte Unterbrechungen während langer, anspruchsvoller Operationen mit kurzen Trinkpausen zur Verbesserung bzw. Erhaltung einer uneingeschränkten Leistungsfähigkeit eines Chirurgen während der Operation beitragen.

Psychischer Stress

Nicht jede Operation verläuft nach Plan. Unvorhergesehene Komplikationen können zusätzlichen psychischen Stress verursachen. Psychischer Stress während einer Operation ist schwer messbar. Wir haben das subjektiv wahrgenommene Stresslevel während einer Operation in drei Kategorien eingeteilt und mit der gemessenen Herzfrequenz verglichen.

Mit der OP-Dauer steigt in der Regel auch der Schwierigkeitsgrad. Leichte Operationen dauerten durchschnittlich 1:51 h, mittlere 2:57 h und schwere 3:56 h. Schwere Operationen beinhalten komplexere Operationsschritte, die erfahrungsgemäß mit einem größeren Zeitaufwand verbunden sind.

Für die statistische Auswertung wurden die als mittel und schwer bewerteten Operationen mit den leichten Operationen verglichen. Für die maximale und durchschnittliche Herzfrequenz beider Gruppen (leicht vs. schwer) zeigten sich statistisch signifikante Unterschiede (p < 0,05, Tab. 2). Die subjektiv als schwer empfundenen Operationen bedeuteten auch tatsächlich eine größere Belastung.

Limitationen und Ausblick

Die Kreislaufparameter dieser Studie wurden an einer Einzelperson gemessen und sind somit nicht allgemeingültig oder repräsentativ. Der Proband war männlich, körperlich gesund, mittleren Alters und hatte eine Berufserfahrung von 12 Jahren zum Zeitpunkt der Datenerhebung. Aus diesen Gründen sind ähnliche Ergebnisse bei dem überwiegenden Großteil der heute operativ tätigen Unfallchirurgen und Orthopäden in einem vergleichbaren Alter und körperlicher Konstitution zu erwarten.

Da das subjektive Stressempfinden stark von der persönlichen Erfahrung, also von der Anzahl bestimmter durchgeführter Operationen, und nicht zuletzt dem persönlichen Charakter einer Person abhängt, lassen sich dafür sicherlich keine allgemeingültigen Schlussfolgerungen ableiten. Das Stressempfinden wird also von Person zu Person starken individuellen Unterschieden unterliegen. Vielmehr ging es bei dieser Untersuchung darum nachzuweisen, dass es neben körperlichen Einflussfaktoren auch nachweislich psychische Einflussfaktoren während wirbelsäulenchirurgischer Eingriffe gibt, die mithilfe einfacher Kreislaufparameter nachweisbar und messbar sind.

Durch 101 über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erfasste Operationen konnten tageszeitliche und andere nicht operationsbedingte psychische Einflussfaktoren weitgehend ausgeglichen werden, sodass diese Eingriffe ein repräsentatives Bild für die Arbeitsbelastung mit typischen Eingriffen eines Wirbelsäulenchirurgen darstellen. Dennoch sollten künftige Studien ein größeres Probandenkollektiv unterschiedlicher Alters- und Erfahrungsstufen beinhalten und eine größere Anzahl von Eingriffen erfasst werden, um weiterreichende Schlussfolgerungen und dezidierte Handlungsempfehlungen zur Fehlervermeidung und Optimierung der Performance von Chirurgen im OP-Saal zu ermöglichen. Auch die Erhebung weiterer kreislaufrelevanter Parameter, wie die Aufzeichnung eines Elektrokardiogramms, Messungen des Laktat- und Speichelkortisolwerts sowie Messungen der Atemfrequenz und des O2-Verbrauchs, können dazu beitragen, genauere Ergebnisse zu erzielen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Art der Operationen (schwer, mittel, leicht) nicht unter standardisierten Bedingungen durchgeführt wurden, jedoch aufgrund der Natur der Sache auch künftig nur bedingt standardisierbar sein wird. Die Einteilung der Schwierigkeitsgrade bleibt subjektiv und wird sich von Operateur zu Operateur unterscheiden. Ein möglicher Weg zur Verbesserung wäre die Definition von Operationsschritten und Kriterien, die für den überwiegenden Anteil von Chirurgen als kritisch beurteilt werden und mit höherem psychischen Stress verbunden sind, um möglichst objektive Ergebnisse zu erzielen.

Fazit für die Praxis

  • Orthopädisch-wirbelsäulenchirurgische Eingriffe stellen für den Operateur eine größere Belastung als für den Assistenten dar.

  • Komplexe Operationen dauern länger und gehen mit einer größeren körperlichen und psychischen Belastung einher.

  • Größere intraoperative Flüssigkeitsverluste während langer Operationen sollten ausgeglichen werden, um negative Konsequenzen einer Dehydratation zu minimieren.