Obgleich die Inzidenz des Zervixkarzinoms zugunsten der Präkanzerosen abnimmt, erkranken in Deutschland jährlich immer noch knapp 6000 Frauen an einem Zervixkarzinom. Dies entspricht einem Anteil von etwa 3% aller Krebserkrankungen bei Frauen. Die stadiengerechte Prognose der Erkrankung jedoch hat sich durch die allgemein bekannten Therapiekonzepte nicht wesentlich verbessert. Neu erworbene Erkenntnisse bezüglich der Prognoseeinschätzung, des prätherapeutischen Staging und der operativen Radikalität bis hin zur Nachbehandlung werden das bisherige Vorgehen teils wesentlich verändern.

In einer Zeit begrenzter finanzieller Ressourcen und damit verbundenen Kostendrucks stellt sich immer häufiger die Frage, welche zusätzliche apparative präoperative Diagnostik wirklich einen Zugewinn an Information zum lokalen Staging im Vergleich zur klinischen Untersuchung allein bringt. Sind die Magnetresonanztomographie-Untersuchung des kleinen Beckens zur lokalen Ausbreitungsdiagnostik und die Computertomographie des Abdomens zur Beurteilung paraaortaler Lymphknoten wirklich unverzichtbar? Frau Dr. Hancke aus der Ulmer Arbeitsgruppe wird dazu von über 300 Zervixkarzinompatientinnen Daten präsentieren, welche auf diese Frage eine klare Antwort geben.

Das Interesse an einer organerhaltenden operativen Therapie steigt

Nachdem das Erkrankungsalter sinkt und immer häufiger Patientinnen erkranken, deren Kinderwunsch noch nicht erfüllt bzw. deren Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist, steigt zunehmend das Interesse an einer organerhaltenden operativen Therapie. Welches Kollektiv betrifft dies, welche Stadien können so operativ angegangen werden und welche onkologische Sicherheit bietet uns dieses Vorgehen? Dazu wird Herr Dr. Altgassen aus Köln in seinen umfassenden Ausführungen Stellung nehmen, eine eindeutige Aussage treffen.

Eine neue Entwicklung in der operativen Therapie der Zervixkarzinoms stellt die totale mesometrane Resektion dar. Die von Professor Höckel entwickelte und erstmals beschriebene Resektion orientiert sich an einer aus der Embryonalentwicklung abgeleiteten Beckenanatomie und nicht an einer am erwachsenen Organismus empirisch ermittelten chirurgischen Anatomie, die einem vermeintlichen radialen progressiven Tumorausbreitungsmodell folgt. Die Theorie der lokalen Tumorausbreitung in embryonal determinierte Kompartimente steht dabei in vollkommenem Einklang mit den beobachteten Wachstumsmustern des primären Zervixkarzinoms und seines Rezidivs. Folglich erscheint ein Verzicht auf eine adjuvante Weiterbehandlung bei hervorragender lokaler Tumorkontrolle vertretbar. Professor Höckel wird Sie mit Daten von mehr als 300 Fällen einer unizentrischen Kohortenstudie aus Leipzig davon überzeugen, dass eine adjuvante Therapie immer weniger indiziert zu sein scheint.

Galt die Lymphangiosis selbst bei niedrigen Stadien als eindeutig ungünstiger prognostischer Faktor und damit als Grund für zumindest eine adjuvante Strahlentherapie, so zeigen aktuelle Daten aus multivariaten Analysen, dass dies wohl nicht zutreffend ist. Daten aus Ulm, vorgestellt von Dr. Herr, zeigen, dass die Lymphangioinvasion in diesem Kollektiv nicht von prognostischer Relevanz ist. Somit erscheint dieser Faktor von untergeordneter klinischer Wichtigkeit zu sein.

Durch bildgestützte Verfahren ist die Anpassung der Strahlendosen mit einem Augenmerk auf angrenzende Organe möglich

Auch bei der intrauterinen Brachytherapie als wesentliche Komponente der definitiven Behandlung gerade fortgeschrittener Stadien des Zervixkarzinoms wurden richtungsweisende Veränderungen erzielt. Durch bildgestützte Verfahren ist nun die Anpassung der Strahlendosen bezogen auf die individuelle dreidimensionale Tumorausbreitung und Tumoransprechen nach Radiochemotherapie möglich, gerade mit einem besonderen Augenmerk auf angrenzende Risikoorgane. Frau Dr. Sturdza aus der Arbeitsgruppe von Herr Professor Pötter aus Wien wird über erste 3D-MRT-gestützte Brachytherapien mit mehr als 200 Patientinnen berichten. Die Ergebnisse bezüglich der lokalen Tumorkontrolle sind exzellent, auch in Anbetracht der sonst bei herkömmlichen Verfahren zu erwartenden Nebenwirkungen.

Durch das Studium der Beiträge dieses Themenheftes wird klar zu erkennen sein, dass grundlegende Entwicklungen sowohl in der operativen wie auch primär radioonkologischen Therapie zu verzeichnen sind, die für das lokal begrenzte wie auch fortgeschrittene invasive Zervixkarzinom letztlich auch zu einer an der Lebensqualität orientierten besseren Versorgung geführt haben.

Wir hoffen, dass wir durch diese Zusammenstellung Ihr Interesse geweckt haben und Sie von den neuen Therapieverfahren überzeugen können.

Prof. Dr. R. Kreienberg

Prof. Dr. K. Diedrich