Vorbemerkungen

Das Becken und Azetabulum sind nach der Wirbelsäule die häufigsten Lokalisationen von stabilitätsgefährdenden Karzinommetastasen und stellen den tumororthopädischen Behandler in der Vielzahl der Fälle vor eine operative Herausforderung [1]. Zusätzlich sind die oft stark eingeschränkte Prognose von onkologischen Patienten und deren immunologische Situation zu berücksichtigen, sodass Ausmaß und Invasivität der operativen Stabilisierung patientenindividuell angepasst werden müssen. Als chirurgische Optionen stehen die Azetabuloplastik [11], die sog. Harrington-Methode [6] und, bei entsprechend guter Überlebensprognose des Patienten, der Einsatz von Beckenteilersätzen zur Verfügung [2, 8]. Der Einsatz der minimal-invasiven Azetabuloplastik, dem Einbringen von PMMA (Polymethylmethacrylat) in Osteolyseherde des Azetabulumdachs, ist Situationen mit intakter vorderer und hinterer Säule sowie der medialen Wand vorbehalten (= Metastatic Acetabular Classification [MAC] 1, [3]) und verfügt daher über einen nur geringen Indikationsbereich. Das Einbringen von Steinmann-Nägeln in das Os ilium mit Verwendung von PMMA als Verbundosteosynthese (= Harrington-Methode [6]) und die anschließende Implantation einer Hüftpfanne ist eine seit Längerem bekannte Methode, die viele Variationen erfahren hat und auch bei Defekten der hinteren Säule angewendet werden kann (MAC 3, [7, 12, 14]). Allerdings ist bei der anterograden Einbringung der Steinmann-Nägel ein weiterer Zugang iliakal notwendig, und das Konstrukt birgt das Risiko einer Medialisierung aufgrund fehlender medialer Abstützung [5]. Die Implantation eines Beckenteilersatzes stellt eine hochinvasive Prozedur dar, die nur wenigen Patienten mit großen azetabulären Defekten und langer Überlebensprognose bzw. entsprechenden körperlichen Ressourcen vorbehalten ist. Gleichwohl bestehen ein hohes Infekt- und Komplikationsrisiko peri- und postoperativ [4, 8]. Dennoch sind unter Berücksichtigung der, durch neue Immun- und Hormontherapien, immer längeren Überlebenszeiten von Patienten mit Karzinomen Lösungen für eine Wiedererlangung von Mobilität, auch bei größeren Destruktionen des Hüftgelenkes anzubieten und zu entwickeln [10, 13]. In einer vorangegangenen Publikation derselben Arbeitsgruppe wurde die Anwendung der MRS-C-Abstützschale („MRS-TITAN® Comfort“, Peter Brehm GmbH, Weisendorf, Deutschland) in der Hüftrevisionsendoprothetik mit guten operativen und funktionellen Ergebnissen vorgestellt [15]. Das Implantat hat durch entsprechende prozedurale Modifikationen in der Folge eine Anwendungserweiterung in der metastatischen Situation des Azetabulums erfahren, welche nach Auffassung der Autoren Vorteile gegenüber den oben genannten Verfahren bietet. Während in der Revisionsendoprothetik die Abstützschale in Verbindung mit metallischen Augmenten eine lockerungs- und abriebbedingte Defektsituation des Azetabulums zementfrei überbrückt, steht in der metastatisch-lytischen Knochensituation der verbundosteosynthetische Charakter mit interdigitierender PMMA-Augmentation im Vordergrund. Im Folgenden wird daher die Möglichkeit der azetabulären, metastasenbedingten Defektrekonstruktion und Frakturstabilisierung mit einer zementaugmentierten Abstützschale (MRS‑C, Fa. Brehm) beschrieben.

Operationsprinzip und Ziel

Mithilfe der MRS-C-Abstützschale können metastatische Defekte und pathologische Frakturen des vorderen und hinteren azetabulären Pfeilers sowie der medialen Wand und des Pfannendaches verbundosteosynthetisch über einen Standardhüftgelenkzugang überbrückt werden. Die Morphologie der Abstützschale mit einer zentralen Öffnung ermöglicht nach primärer Schraubenverankerung die Einbringung von PMMA in den Knochendefekt und eine vollständige Zementeinbettung der Schrauben. Voraussetzung ist eine zumindest noch teilweise vorhandene kraniale iliakale Kortikalis (Typ II und III nach Harrington [9], Typ 2–4 nach MAC; Tab. 1; Abb. 1). Anschließend erfolgt die Implantation der MRS-C-Abstützschale und einer in Inklination und Anteversion variablen, nicht zementierten Pfannenkomponente oder einer zementierten Polyethylen- bzw. tripolaren Pfanne. Durch die Rekonstruktion und Stabilisierung der azetabulären Anatomie ist eine zeitnahe Remobilisation des Patienten mit perspektivischer Vollbelastung und damit Wiedererlangung von Lebensqualität auch bei eingeschränkter onkologischer Prognose möglich.

Tab. 1 Harrington-Klassifikation metastatischer azetabulärer Defekte. (Übersetzung aus [3])
Abb. 1
figure 1

MAC-System (Metastatic Acetabular Classification) zur Klassifikation azetabulärer Metastasen. (Aus [9])

Vorteile

  • Standardhüftgelenkzugänge ohne zusätzliche Zugangswege

  • Gute Überbrückung von großvolumigen azetabulären Metastasen (MAC 2–4)

  • Freie Positionierungsmöglichkeit der Pfannenkomponente in der Abstützschale durch Einzementierung einer Polyethylen- oder tripolaren Pfanne

  • Im Vergleich zur Harrington-Methode weniger Gefahr der Konstruktmedialisierung durch kraniale polyaxiale Schraubenfixierung und kaudale Hakenaufhängung (bei noch vorhandenem Os pubis)

  • Sofortige Vollbelastung und Remobilisation des Patienten

  • Intraoperative „Customization“ durch multiple Möglichkeiten der Schrauben- und Pfannenpositionierung je nach Defektsituation

  • Verwendung von modularen Standardinlays und/oder tripolaren Pfannensystemen nach Einbringung der Abstützschale

Nachteile

  • Hohes periimplantäres Infektrisiko bei Immunsuppression durch Chemotherapie und lokale Radiotherapie

  • Keine Möglichkeit der Verankerung der Abstützschale bei großen kranialen iliakalen Defekten und dorsalen Pfeilerdefekten

  • Anspruchsvolle Instrumentations- und Operationstechnik

  • Knochennahe Dissektion des M. gluteus medius und minimus vom Os ilium zur Verankerung der Laschen notwendig

Indikation

  • Metastasenbedingte azetabuläre Defektsituationen vom Typ II und III nach Harrington [6, 9] und Typ 2–4 nach MAC [3] bei mittel- und langfristiger Überlebensprognose des Patienten (mindestens 3 Monate) und eingeschränkter Mobilisation

Kontraindikationen

  • Starke Einschränkung der Überlebensprognose (< 6 Wochen)

  • Persistierendes lokales Infektgeschehen

  • Ausgedehnte kraniale Defekte des Os ilium ohne Verankerungsmöglichkeit der Laschen- oder Erkerschrauben (s. Abschnitt „Implantat und Instrumentarium“)

  • Ausgedehnte dorsale Pfeilerdefekte, ausgeprägte Beckendiskontinuität

  • Grunderkrankungsbedingte Inoperabilität des Patienten

  • Vorliegen eines primären Knochentumors mit kurativem Therapievorgehen

  • Laufende wundheilungskompromittierende Chemo- oder Immuntherapie

Patientenaufklärung

  • Erhöhtes Blutungsrisiko durch Eröffnung der Metastase (cave: Nierenzellkarzinom)

  • Allgemeine Risikoaufklärung über Beckeneingriffe

  • Postoperativ hinkendes Gangbild (Trendelenburg-Hinken) durch Weichteilschädigung (Glutealmuskulatur)

  • Beinlängenunterschied

  • Protheseninstabilität/-luxation

  • Implantatbruch/periprothetische Frakturen

  • Periimplantäre Infektion (Früh- und Spätinfektion) insbesondere bei Immunsuppression

  • Zementallergie

  • Bei Übergewicht (BMI > 25 kg/m2; nach WHO-Definition) zusätzliche Aufklärung über „Off-label-Use“

  • Verletzung von Gefäß‑/Nervenstrukturen mit postoperativer Durchblutungsstörung oder neurologischen Ausfällen

  • Größenzunahme der Metastase und damit sekundäre Instabilität des Konstruktes

  • Entgegen der vorher durchgeführten Schnittbildgebung können sich intraoperativ, insbesondere nach der Kürettage der azetabulären Metastase ausgedehnte Defekte oder Beckendiskontinuitäten zeigen, welche die Verwendung einer Abstützschale in der beschriebenen Technik unmöglich machen. Für diese Situation sollte mit dem Patienten präoperativ ein „Back-up-Vorgehen“ abgesprochen werden (z. B. Belassen einer Girdlestone-Situation, Einbringen eines Beckenteilersatzes). Das entsprechende Vorgehen sollte die Prognose und das Mobilisationspotenzial des Patienten berücksichtigen.

Operationsvorbereitungen

  • Konventionelle Röntgenaufnahmen mit Referenzierungsobjekt zur Prothesenplanung (Hüftübersicht a.-p. + Lauenstein-Aufnahme)

  • Computertomographie lokal (Beurteilung des ventralen und dorsalen Pfeilers, Kontinuität des Beckens) und CT Thorax/Abdomen als „Staging“ zur Prognosebeurteilung des Patienten

  • Interdisziplinärer Tumorboard-Beschluss

  • Ggf. Pausierung von laufenden Immun‑/Chemotherapien soweit möglich (Wundheilung)

  • Prüfung der Durchführung einer präoperativen, interventionellen Embolisation (Nierenzellkarzinom)

  • Klinische Beurteilung der Weichteile und des Zugangsweges (Weichteilmetastasen?)

Implantat und Instrumentarium

  • Das Implantat (Abb. 2; mit freundlicher Genehmigung der Firma Brehm) besteht aus Reintitan mit einem hemisphärischen Außendurchmesser von 48–64 mm (in 4‑mm-Schritten) ohne und mit 2 verfügbaren kranialen Laschenlängen (45 und 60 mm). Aufgrund der oftmals vorliegenden kranialen metastatischen Osteolyse sind längere Laschen meist notwendig. Die sphärische Schale verfügt über eine Anteversion von 15° im Vergleich zur Doppellasche. Die Hemisphäre besitzt eine zentrale, verschließbare Öffnung, durch die Knochenzement im Sinne der Verbundosteosynthese eingebracht werden kann. Die zusätzlich implantierbare Pfannenkomponente ist in ihrer Inklination und Version in 6 Stufen einstellbar. Die Verankerungsschrauben sind polyaxial (Pfannendomschrauben) und winkelstabil (Laschenschrauben) einzubringen. Der kaudale Haken dient zur möglichst optimalen Rekonstruktion des Drehzentrums mit Positionierung im Foramen obturatorium. Er ist individuell modellierbar und kann optional entfernt werden. Das entsprechende Instrumentarium ist in Abb. 3 dargestellt.

Abb. 2
figure 2

Abstützschale „MRS-TITAN® Comfort“ MRS-C, Peter Brehm GmbH, Weisendorf, Deutschland (links: ohne und mit Laschen, rechts: mit einliegender Pfannenkomponente)

Abb. 3
figure 3

Instrumentarium: a Inbusschlüssel, b Schränkeisen, c Schränkzange, d Probeeinschläger, e Setzinstrument-Führungsbolzen, f Pfannensetzinstrument, g Verspanner/Gegenhalter/Drehmomentbegrenzer, h Pfannenfräse, i Kardanschraubendreher und gebogener Längenmesser zur Einbringung der Pfannendomschrauben

Anästhesie und Lagerung

  • Rücken- oder Seitenlagerung, posterolateraler, transglutealer oder anterolateraler Zugang

  • Blasendauerkatheteranlage

  • Intubationsnarkose

  • Tranexamsäure unter Beachtung der medikamentenspezifischen Kontraindikationen

  • Steriles Abdecken des Röntgenbildwandlers (Inlet‑/Outlet-Aufnahmen)

  • Single-Shot-Antibioseprophylaxe je nach Allergiesituation alle 3 h OP-Zeit

Postoperative Behandlung

  • Steriler Wundverband, tägliche klinische Wundkontrolle

  • Postoperative Blutbildkontrolle mit Bestimmung von Hämoglobin (Hb) und C‑reaktivem Protein (CRP)

  • Faden‑/Klammerentfernung nach 10 Tagen

  • Sofortige Mobilisation unter schmerzadaptierter Vollbelastung, ggf. an Unterarmgehstützen

  • Physiotherapie zur Kräftigung der hüftstabilisierenden Muskulatur

  • Vermeidung von Außenrotation und Adduktion

  • Adjuvante Radiatio nach Abschluss der primären Wundheilung

  • Ggf. Fortsetzung der systemischen Therapie gemäß Tumorboard-Beschluss

Operationstechnik

(Abb. 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 10)

Abb. 4
figure 4

In Abhängigkeit des Ausmaßes der Metastasierung werden zunächst Hüftkopf und Schenkelhals reseziert, um einen suffizienten Zugang zum Azetabulum zu erhalten. Nun erfolgt eine Kürettage der lytischen bzw. metastatisch durchsetzten azetabulären Bereiche. Hierbei sollte der Hämoglobinwert bei entsprechender Blutungssituation (insbesondere Nierenzellkarzinom) engmaschig kontrolliert werden. Bei ausgedehnten Knochendefekten müssen zumindest eine kraniale Laschenverankerungsmöglichkeit am Pfannendach bzw. Os ilium und ein nicht zu stark ausgehöhlter dorsaler Azetabulumpfeiler vorhanden sein. Die Glutealmuskulatur wird zur Verankerung der Laschen teilweise vom Os ilium abgelöst

Abb. 5
figure 5

Oft hat das Azetabulum durch die metastatische Destruktion und vorherige Kürettage bereits einen sehr großen Innendurchmesser. Ein zusätzliches Auffräsen der Pfanne ist daher nicht notwendig oder möglich. Ist das Ausmaß der Destruktion begrenzt, sollte ein vorsichtiges und zurückhaltendes Auffräsen unter Berücksichtigung der bestehenden Knochendefekte (insbesondere nach medial) mit schrittweiser Steigerung der Fräsdurchmesser erfolgen, um einen noch vorhandenen Knorpelbesatz zu entfernen (a). Zur Größenbestimmung wird zunächst eine Probeabstützschale (ohne Laschen, Durchmesser wie der zuletzt verwendete Azetabulumfräser) eingebracht. Dabei wird der kaudale Haken nach vorheriger Freipräparation am Unterrand des Azetabulums ins Foramen obturatorium eingebracht (Orientierung für die Rekonstruktion des Drehzentrums) (b). Entsprechend der anatomischen Situation kann der Haken mit einer Zange modelliert werden. Im Falle einer vollständigen Destruktion und Lyse des Azetabulumunterrandes erfolgt die Referenzierung des Drehzentrums orientierend an der Gegenseite unter Bildverstärkerdarstellung

Abb. 6
figure 6

Im Falle des Vorliegens eines ausgeprägten lytischen Defektes der medialen Azetabulumwand sollte vor Einbringen des Abstützschale ein Titan-Mesh-Implantat vorgelegt werden, um bei der späteren Zementauffüllung (s. Abb. 8) einen Austritt von Knochenzement in das kleine Becken zu verhindern. Nach Auswahl der korrekten Schalengröße wird der „Setzinstrument-Führungsbolzen“ in die Öffnung am Pfannenrand der Originalschale mit dem Inbusschlüssel SW 3,5 eingebracht. Dieser muss axial korrekt (ohne Verkippung) platziert werden, um das später notwendige Pfannensetzinstrument passgenau aufsetzen zu können

Abb. 7
figure 7

a,b Nun wird das vorbereitete Originalimplantat mit dem kaudalen Haken unter Führung mit dem Inbusschlüssel in das Foramen obturatorium eingehakt und vorzugsweise mit dem hemisphärischen Probeeinschläger (6 mm kleiner als der Nenndurchmesser der Abstützschale) in das Azetabulum eingebracht. Dabei sollten sich die kranialen Laschen dem iliakalen Knochen anfügen. Sie können bei Bedarf mit dem Schränkeisen bzw. der Schränkzange angepasst werden. Mithilfe des flexiblen Bohrers und der entsprechenden Bohrerführung (Ø 3,2 oder 4,5 mm) werden nun die inneren Vorbohrungen der Schale in Richtung des Os ilium (bis 30° polyaxial), d. h. in Richtung der Krafteinleitung vorgenommen. Dies ist abhängig vom noch vorhandenen, nichtlytischen Knochen, jedoch sollte mindestens eine Pfannendomschraube gesetzt werden. Eine bloße Verankerung der Abstützschale nur über die Laschenschrauben ist zu vermeiden. Nach dem Vorbohren und Bestimmung der Schraubenlänge werden die Titan-Flachkopfspongiosaschrauben eingebracht, welche vollständig mit dem Schraubenkopf in der Abstützschale versenkbar sein müssen, um den späteren Arretiermechanismus der Pfannenkomponente nicht zu behindern. Sollte im Verlauf der Domschraubenlöcher keine suffiziente Verankerung im Os ilium möglich sein, so werden zunächst die Laschenschrauben besetzt, und erst nach der Zementauffüllung wird die Domschraube eingebracht. Generell gilt das Prinzip, dass zunächst die Schrauben besetzt werden, die eine primäre Verankerung im Knochen gewährleisten, unabhängig von ihrer Position im Implantat. Damit wird eine primäre Stabilisierung des Implantates im Situs geschaffen und erst im nächsten Schritt die verbundosteosynthetische Verankerung durchgeführt. Nach entsprechendem Vorbohren und Längenmessen werden nun die weiteren Schrauben am Kragen/Erker der Pfannenabstützschale und im Bereich der Laschen gesetzt. Dazu können Titan-Flachkopfspongiosaschrauben oder winkelstabile Titanschrauben verwendet werden (a). Im Idealfall stehen die Dom- und Laschenschrauben in einem 90°-Winkel zueinander (b)

Abb. 8
figure 8

Durch die große Öffnung im Boden der Abstützschale ist es nun möglich, Knochenzement in die Pfannenkavität einzubringen und Knochendefekte zu schließen. Die Verwendung von auto- oder allogener Spongiosa, wie in der Revisionsendoprothetik üblich, ist aufgrund der metastatischen Situation nicht möglich, da diese nicht einheilen würde. In den noch weichen, aber aushärtenden Zement können nun die vorgebohrten Laschen‑, Dom- und Erkerschrauben im Sinne der Verbundosteosynthese eingebracht oder nach entsprechender Vorlage final festgedreht werden (s. Abb. 7a, kraniale Schrauben noch nicht vollständig eingedreht, zunächst Einbringen des Zementes)

Abb. 9
figure 9

a,b Nach dem Aushärten des Zementes wird das Pfannensetzinstrumentarium mit der gewählten Titaninnenpfanne und der Pfannenbodensicherungsschraube verbunden. An der Abstützschale können zur Orientierung und zur Wahl der gewünschten Inklination/Version signierte Zahlen abgelesen werden. Für die Positionierung stehen 6 Platzierungsmöglichkeiten der Pfannenkomponente zur Verfügung. Die jeweilige Positionierungsziffer wird auf der Stellscheibe des Pfannensetzinstrumentes eingestellt. Zur Fixierung der Titanpfanne wird diese mit der Führung des Pfannensetzinstruments durch leichten Druck in die Abstützschale positioniert und durch eine Rechtsdrehung im Bajonettverschluss arretiert (a). Nach Entfernen des Setzinstruments erfolgen das Verspannen des modularen Konstrukts mit dem Drehmomentbegrenzer (25 ± 1 Nm), dem Gegenhalter und dem größenjustierten Führungsinstrument sowie das Einbringen des Inlays (b). Alternativ kann entsprechend der Prognoseeinschränkung auch eine Standard-Polyethylenpfanne in freier Positionswahl in die Abstützschale einzementiert werden. Bei diesem Vorgehen ist jedoch eine nachträgliche Korrektur der Pfannenposition erschwert

Abb. 10
figure 10

a,b Unter Berücksichtigung der Defektsituation am proximalen Femur kann eine Standardschaft- oder eine modulare Tumorprothese (a) implantiert und reponiert werden. Im Falle der Notwendigkeit der Resektion des proximalen Femurs und der Rekonstruktion mit einer modularen proximalen Femurendoprothese kann die Einzementierung einer tripolaren Pfanne in die Abstützschale erfolgen (b), um eine höhere Luxationssicherheit zu gewährleisten. Dies wird von den Autoren explizit empfohlen

Fehler, Gefahren und Komplikationen

  • Verletzung der A. glutea superior bzw. deren abgehender Äste bei der Dissektion der Glutealmuskulatur vom Os ilium: Zugangserweiterung und Darstellung der Blutungsquelle, sodann Koagulation/Ligatur bzw. mikrochirurgische Gefäßnaht

  • Resultierende Glutealinsuffizienz mit Trendelenburg-Hinken bei zugangsbedingtem Muskeltrauma: beckenstabilisierende physiotherapeutische Muskelkräftigung, individuelle orthopädische Hilfsmittelversorgung (z. B. gegenseitiger Gehstock)

  • N.-femoralis-Läsion (Gefahr durch ventralen Haken am vorderen Azetabulumpfeiler) oder N.-ischiadicus-Läsion (Gefahr durch dorsalen Haken am hinteren Azetabulumpfeiler): neurologische Differenzialdiagnostik zur Schädigungsverifikation und -lokalisation (ggf. Elektromyographie und Nervenleitgeschwindigkeitsmessung), bei Restfunktion zunächst abwartendes Verhalten und physiotherapeutische Beübung zur Förderung der Reinnervation, neurologisch-neurochirurgische interdisziplinäre Beteiligung und Therapie in Abhängigkeit der Patientenprognose und Restfunktion

  • Übermäßige Zementauffüllung und nicht vollständig versenkte Titan-Flachkopfspongiosaschrauben in der Abstützschale („Pfannendomschrauben“) behindern die Arretierung der Titaninnenpfanne und führen zu einer instabilen Verbindung des modularen Inlays in der Abstützschale (alternativ): Wechsel oder Nachziehen der Schrauben bzw. Entfernung des übermäßigen Zementes, alternativ Einzementierung einer PE-Pfanne in die Abstützschale

  • Fehllage oder Überlänge der Pfannendom- und Laschenschrauben mit Affektion intrapelviner Gefäß‑, Nerven- und Organstrukturen: Kontrolle durch intraoperative BV-Aufnahmen in Inlet‑/Outlet-Technik und ggf. Wechsel der Schrauben

Ergebnisse

Im Rahmen einer retrospektiven Analyse erfolgte die Nachbeobachtung von 14 Patienten mit metastatischem Befall des Azetabulums, die zwischen 2012 und 2019 an unserer Klinik mittels einer PMMA-augmentierten MRS-C-Abstützschale stabilisiert wurden. Die Indikation zur operativen Intervention bestand in allen Fällen aufgrund einer vollständigen Immobilisierung durch eine pathologische Azetabulumfraktur oder einer therapieresistenten Schmerzsituation durch den azetabulären metastatischen Befall (Fallbeispiel: Abb. 11). Die zugrunde liegenden Tumorentitäten und epidemiologischen Daten wurden prä- und perioperativ erhoben. Das klinische Ergebnis wurde anhand der Mobilität und Beweglichkeit im Rahmen des Harris-Hip-Scores (HHS) und der dokumentierten postoperativen Komplikationen gemessen.

Abb. 11
figure 11

a–c 78-jähriger Patient mit einer Azetabulummetastase (a Typ II/III nach Harrington, Typ 4 nach MAC) eines Prostatakarzinoms. Implantation einer modularen Abstützschale („MRS-TITAN® Comfort“ MRS-C, Peter Brehm GmbH, Weisendorf, Deutschland), Verbundosteosynthese des Azetabulums mit Zementierung des Pfannenbodens und Implantation eines zementieren Standardschaftes in 11/2019 (b). Anschließend gute Re-Mobilisation des Patienten und Fortführung der systemischen Therapie. Weitere radiologische Verlaufskontrollen im Rahmen der onkologischen Staging-Untersuchungen, zuletzt CT-Thorax/Abdomen in 01/2022 (c)

Das durchschnittliche Alter zum Operationszeitpunkt betrug 71,3 Jahre (52 bis 89 Jahre). Das Follow-up des Kollektivs betrug 1 bis 29 Monate (Mittel: 10,6 Monate). Die zugrunde liegenden Tumorentitäten waren Prostatakarzinom (n = 4), Mammakarzinom (n = 4) sowie Nierenzellkarzinom (n = 1), Urothelkarzinom (n = 1), multiples Myelom (n = 1), malignes Melanom (n = 1) und CUP („cancer of unknown primary“, 2). In allen Fällen lagen eine multiple Organ- und Lymphknotenmetastasierung vor. Die mittlere Operationsdauer betrug 209,1 ± 58,7 min. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung waren 10 der 14 Patienten (71,4 %) verstorben. Das mittlere Überleben nach erfolgter Operation betrug 9,7 (1 bis 29) Monate, wobei die Standzeiten von 13 der 14 Implantate der Prognose des Patienten entsprachen und derjenigen aktuell noch unter Follow-up entsprechen. Das eingeschränkte Überlebensintervall der Patienten war auf den fortgeschrittenen Grad der Tumorerkrankung zurückzuführen. In einem Fall kam es bei kompromittierter Weichteilsituation zu einer periprothetischen Infektion und zum Ausbau der Prothese. In einem weiteren Fall musste aufgrund von rezidivierenden Luxationen das femorale Offset verlängert, die Hüftkomponente jedoch nicht verändert oder explantiert werden. Zum Zeitpunkt der Entlassung der Patienten verbesserte sich der Harris-Hip-Score im Mittel um 23,21 Punkte (0–38,21) im Vergleich zur präoperativen Situation.